Neu-Ulmer Zeitung

Zu jung zum Wählen?

- VON STEFANIE DÜRR

Mitbestimm­ung Der bayerische Kultusmini­ster Piazolo fordert, Jugendlich­e ab 16 Jahren zu Kommunalwa­hlen zuzulassen. Aber können die das überhaupt?

München Wählen mit 16: Das fordert der bayerische Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler). Er möchte Jugendlich­e ab 2026 mitbestimm­en lassen – zunächst bei Kommunalwa­hlen. „Ich bin der Auffassung, dass junge Leute ab 16 durchaus in der Lage sind, eine Wahlentsch­eidung zu fällen, wenn sie entspreche­nd von Schule und Gesellscha­ft darauf vorbereite­t werden“, sagte Piazolo im Gespräch mit unserer Redaktion. Das gelte insbesonde­re für das kommunale Umfeld, in dem die Jugendlich­en aufgewachs­enen sind und sich auskennen. Diese Position vertrete er aber bereits seit vielen Jahren, sagte der Minister.

„Das ist im Moment unsere Fraktions-Position, aber nicht die der Staatsregi­erung“, betonte Piazolo. Der Koalitions­partner CSU lehnt den Vorschlag ab, die Partei hält einen Gleichklan­g von Volljährig­keit und Wahlalter für richtig. Rechte und Verantwort­ung sollten miteinande­r korrespond­ieren. Laut Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) brauche es für eine politische Urteilsfäh­igkeit eine gewisse Lebenserfa­hrung. Die Grünen, SPD, FDP und Linken unterstütz­en Piazolos Forderung.

Die SPD scheiterte am Donnerstag aber mit ihrem Antrag zur Senkung des Wahlalters ab den Kommunalwa­hlen 2020 im Rechtsauss­chuss des Bayerische­n Landtags an der CSU-Mehrheit. Auch die Freien Wähler stimmten dagegen – jedoch nur, weil die Umsetzung bereits im kommenden Jahr unpraktika­bel sei. „Ich halte das für verfrüht, das wäre ein Schnellsch­uss“, sagte Piazolo. So manche Aufstellun­gsversamml­ung für die Wahl sei bereits gelaufen, wenn, dann wolle man auch junge Menschen auf die Listen bringen.

„Sicher nicht im Fokus“seiner Forderung standen für Piazolo eine höhere Wahlbeteil­igung oder gar mehr Stimmen für die Freien Wähler. „Bei den Erstwähler­n liegen wir sicher nicht über dem Trend. Das zeigt jedoch, wie ernsthaft mir das Anliegen ist.“Eine hohe Beteiligun­g sei aber natürlich trotzdem wichtig.

Doch sind 16-Jährige überhaupt in der Lage zu wählen? „In vielen

Bundestags­wahlen Das Wahl- und Wählbarkei­tsalter (aktives und passives Wahlrecht) sind seit 1975 an die Vollendung des 18. Lebensjahr­es geknüpft. Gleiches gilt für die Europawahl.

Landtagswa­hlen

In Brandenbur­g und Schleswig-Holstein sowie bei den Bürgerscha­ftswahlen in Bremen und Hamburg dürfen schon 16-Jäh

Gesprächen und Schulbesuc­hen habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich 16-Jährige durchaus intensiv mit Politik auseinande­rsetzen“, sagte Piazolo. Das bestätigt Landesschü­lerspreche­r Joshua Grasmüller aus Kempfenhau­sen bei Starnberg. „Das Interesse junger Menschen an Politik ist hoch.“Das gelte sicher nicht für jeden Jugendlich­en, lenkte Piazolo ein. Volljährig­e würden jedoch auch nicht darauf geprüft, ob ihre Wahl-Entscheidu­ngen auf absolut rationalen Grundlagen und viel Wissen basieren.

Politische­s Wissen bekommen Jugendlich­e vor allem in der Schule vermittelt – doch genau das kommt in Bayern laut einer aktuellen Studie der Universitä­t Bielefeld zu kurz. Piazolo hingegen ist prinzipiel­l zufrieden mit dem Lehrplan im Freistaat: „Wir machen in den Schulen

rige an die Urne. In den anderen Bundesländ­ern darf erst ab 18 gewählt werden.

Kommunalwa­hlen In Baden-Württember­g, Brandenbur­g, Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenbur­g-Vorpommern, Niedersach­sen, NordrheinW­estfalen, Sachsen-Anhalt, SchleswigH­olstein und Thüringen darf schon mit 16 gewählt werden. (AZ) bereits einiges in der politische­n Bildung.“Dennoch könne man das Thema immer noch weiter ausbauen. Kämen die Wahlen mit 16, „würde man sicher auch über den ein oder anderen Lehrinhalt nachdenken“.

Und was halten die Betroffene­n von der Idee? „Wir begrüßen den Vorschlag zu 100 Prozent. Es ist gut, dass der Vorstoß dazu aus der Politik kommt“, sagt Grasmüller. Der 16-Jährige hofft, dass Piazolos Idee auch umgesetzt wird. Für ihn ist es wenig verwunderl­ich, dass sich die CSU gegen den Vorschlag ausgesproc­hen hat. „Die Partei hat in den vergangene­n Wahlen nicht das Ergebnis bei den jungen Wählern erzielt, das sie sich gewünscht hat.“Grasmüller könnte sich auch ein Wahlrecht auf Bundeseben­e vorstellen, zunächst sollte es aber kommunal umgesetzt werden.

Dass sich Kinder und Jugendlich­e für Politik interessie­ren, zeigen auch die U18-Wahlen. Sie finden immer neun Tage vor einer richtigen Wahl statt, abstimmen kann jeder unter 18 Jahren. An den bayerische­n U18-Landtagswa­hlen nahmen 61 000 Kinder und Jugendlich­e teil – so viele wie nie. Bei der Bundestags­wahl 2017 stimmten nur 28000 unter 18-Jährige in Bayern ab. Sieger der U18-Landtagswa­hl waren übrigens die CSU mit 24 und die Grünen mit 23 Prozent. »Kommentar

Nicht überall darf erst ab 18 gewählt werden

 ?? Archivfoto: Jonathan Mayer ?? Sollen Jugendlich­e künftig ab 16 Jahren kommunal wählen dürfen? Kultusmini­ster Michael Piazolo fordert eine Senkung des Wahlalters. Er ist der Meinung, dass „junge Leute durchaus in der Lage sind, eine Wahlentsch­eidung zu fällen, wenn sie entspreche­nd von Schule und Gesellscha­ft darauf vorbereite­t werden“.
Archivfoto: Jonathan Mayer Sollen Jugendlich­e künftig ab 16 Jahren kommunal wählen dürfen? Kultusmini­ster Michael Piazolo fordert eine Senkung des Wahlalters. Er ist der Meinung, dass „junge Leute durchaus in der Lage sind, eine Wahlentsch­eidung zu fällen, wenn sie entspreche­nd von Schule und Gesellscha­ft darauf vorbereite­t werden“.

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