Zurück in die Kreidezeit?
Bildung Der Freistaat hat den Schulen 212 Millionen Euro versprochen, um sie zu digitalisieren. Jetzt setzt Bayern das Förderprogramm aus. Und die Bürgermeister hängen in der Luft
Augsburg Monatelang haben Bayerns Schulleiter kalkuliert, getüftelt und getestet: Jedes einzelne Haus musste ein eigenes Medienkonzept erstellen und vorrechnen, wie viele digitale Geräte die Schüler im Unterricht brauchen und wie sie genutzt werden sollen. Bei der Finanzierung wollte der Freistaat den Schulträgern helfen. Glaubt man dem Bayerischen Städtetag, könnten all die Konzeptpapiere nach aktuellem Stand ein Fall für den Mülleimer sein.
Denn das bayerische Kultusministerium habe angekündigt, dass Schulen ab sofort keine Fördergelder für Digitalisierung mehr beim Staat beantragen können. In einer alarmierenden Pressemitteilung warnte Städtetagspräsident Kurt Gribl (CSU) am Freitag: „Die zeitnahe Umsetzung der vom Kultusministerium selbst bei den Schulen in Auftrag gegebenen Medienentwicklungskonzepte ist damit erheblich gefährdet.“
Ursprünglich war das Förderprogramm, mit dem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unter anderem 50000 digitale Klassenzimmer versprochen hatte, auf drei Jahre angelegt. 212,5 Millionen Euro sollten unter den Schulen verteilt werden, damit diese einen zeitgemäßen Unterricht gewährleisten können. Bisher ist aber nur das Geld in die Städte und Gemeinden geflossen, das die Schulträger im ersten Jahr beantragt hatten – ein Drittel also. Komplett digitalisiert waren im Februar erst gut 11 000 Klassenzimmer.
Die Stadtverwaltung in Fürth hat sich als eine der ersten in Bayern öffentlich beklagt. Sie hatte für ihre Schulen etwa 3,5 Millionen Euro vom Bund einkalkuliert – und bisher nur 1,15 Millionen bekommen. Dabei seien die Mittel „dringend notwendig“, um digitale Geräte anzuschaffen, wie Schulreferent Markus Braun betont.
Doch auch wenn am Freitag die Empörung und Verunsicherung unter den Stadt- und Gemeindebürgermeistern groß war – ein Blick in den bayerischen Haushalt lohnt. Denn obwohl die Gemeinden aktuell keine Förderanträge stellen können, sind die Mittel für die Finanzierung digitaler Klassenzimmer längst im Doppelhaushalt 2019/2020 veranschlagt. Noch dazu hat Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am späten Freitagnachmittag auf den Aufschrei Gribls reagiert und zugesichert, dass die Kommunen die gut 212 Millionen Euro aus dem bayerischen Programm „vollständig abrufen“können. Klingt eher nach einem vorläufigen Förderungsstopp.
Der Grund für diesen, das vermutet Städtetags-Geschäftsführer Buckenhofer, ist ein weiteres, bisher nie dagewesenes Förderprogramm: der Digitalpakt auf Bundesebene. Im Februar war extra das Grundgesetz geändert worden, damit die Bundesregierung die Schulen in Deutschland beim Megaprojekt Digitalisierung unterstützen kann. Fünf Milliarden Euro will der Bund auf fünf Jahre verteilt spendieren. 778 Millionen Euro sollen aus dem Bundestopf nach Bayern fließen – als „Zusatzgeschenk“zum Geld des Freistaats, wie es bisher hieß.
Natürlich hoffen Bayerns Bürgermeister, dass Piazolo Wort hält und der Förderstopp nur daran liegt, dass erst noch geklärt werden muss, welcher Topf was finanziert. Denn der Digitalpakt des Bundes ist nicht für eine dauerhafte Wartung der PCs und Tablets gedacht, sondern nur für die Anschaffung, für den Ausbau des drahtlosen Internets und für Fortbildungen, damit Lehrer die Geräte auch sinnvoll einsetzen können.
Genau diese dauerhafte Wartung aber ist ein Riesenproblem für bayerns Schulen. Professionelle Systembetreuer fehlen, normale Lehrer kümmern sich nebenbei darum, dass alles läuft, steigen im Notfall auch selbst auf den Tisch, um einen Beamer zu reparieren. Opposition und Schulvertreter fordern schon lange IT-Experten, die im Notfall technisch weiterhelfen können. Denn gerade die Wartung all der neuen Technik ist es, die die Träger auf Dauer am meisten kosten wird.
Bei diesem Punkt sind die Kommunen Buckenhofer zufolge also auf das Geld des Freistaats angewiesen. Der Städtetags-Geschäftsführer will deshalb ganz sichergehen, dass der Freistaat sich nicht aus der Affäre zieht und die Gelegenheit nutzt, um sein eigenes Geld in der Kasse zu lassen. Bayern dürfe nicht versuchen, mit den Bundesmitteln das Landesprogramm zu ersetzen. „Der ganze Digitalpakt bringt wenig, wenn die Programme sich dann gegenseitig auffressen.“»Kommentar
Der Kultusminister sichert Mittel weiter zu