Merkel und der Seelenschlitzer
Malerei Zwei Werke von Emil Nolde mag die Kanzlerin nicht mehr um sich haben. Auf welche Kunst aber mag sie nicht verzichten?
Die Kanzlerin und die Künste: Was die Musik betrifft, so ist man einigermaßen im Bilde, weiß man doch, dass Angela Merkel ein Faible für Richard Wagner hat, Bayreuth-Pilgerin, die sie ist. Weit weniger klar war bisher jedoch, wie es um die persönlichen Vorlieben der Kanzlerin in Sachen der bildendenden Kunst bestellt ist.
Inzwischen weiß man mehr. Emil Nolde gehört offenbar nicht zu ihren Favoriten. Der Expressionist, den ihr Vorgänger Helmut Schmidt doch so sehr geschätzt hat, dass er Bilder von ihm ins Kanzleramt holte, ist dort soeben im Falle zweier Gemälde wieder abgehängt worden. Wie verlautete, habe die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Eigentümer darum gebeten, eines der Bilder in einer Ausstellung zeigen zu dürfen. Weshalb der andere Nolde gleich noch mit an die Preußenstiftung zurückgereicht wurde, dafür gab es keine Erklärung.
Dass die Nolde-Rückabwicklung gerade jetzt geschieht, legt die Vermutung nahe, dass dies im Zusammenhang steht mit der großen Berliner Nolde-Ausstellung, die kommende Woche im Museum Hamburger Bahnhof eröffnet wird. Seit langem trommelt die Schau damit, die Verstrickung Noldes in den Nationalsozialismus einmal richtig zu durchleuchten. Es wäre nur zu verständlich, wenn die Regierungschefin der Bundesrepublik Deutschland eventuelle Fragen in diesem Zusammenhang gar nicht erst aufkommen lassen will.
Nolde also ist hin – von welcher Kunst aber will die Kanzlerin sich keinesfalls trennen? Aufklärung darüber erreicht uns via Österreich. Auch dort geht eine Ausstellung an den Start, im Wiener Leopold Museum, und hier steht nicht Emil Nolde im Blick, sondern dessen Zeitgenosse Oskar Kokoschka, ein einwandfrei Beleumundeter, weil von den Nazis als „Entartetster unter den Entarteten“diffamiert. Um diesen „Expressionisten, Emigranten, Europäer“, wie ihn die Schau zu fassen versucht, möglichst umfassend zu präsentieren, erging auch eine Leih-Anfrage nach Berlin: Ob denn das Kokoschka-Gemälde auszuborgen sei, das im Arbeitszimmer der Kanzlerin hänge? Keine Chance für das Leopold Museum: Immerhin gab es „einen amüsanten Absagebrief“, verriet die Kuratorin in Wien. „Wegen Eigenbedarf.“
Der Kokoschka im Kanzlerinnen-Büro zeigt ein Porträt von Konrad Adenauer. In Wien hätte das Bild zusammen mit anderen Porträts von Kokoschkas Hand in einer zusammenhängenden Abteilung gezeigt werden sollen, die das Motto „Kokoschka als Seelenaufschlitzer“trägt. Adenauer, der Gottvater der CDU, seelenaufgeschlitzt? Kein Wunder, dass Amtsnachfahrin Angela Merkel da schützend ihre Hand draufgelegt hat.