Neu-Ulmer Zeitung

Treibjagd wird zum Fall fürs Gericht

- VON FELICITAS MACKETANZ

Justiz Ein Reh wird vom Hund verfolgt und rennt auf die Straße. Wer ist schuld am Unfall?

Neu-Ulm/Vöhringen Die Anklageban­k im Neu-Ulmer Amtsgerich­t ist voll besetzt: Zwei Jäger sitzen dort mit ihren Anwälten. Doch der eigentlich­e „Täter“fehlt. Aus einem einfachen Grund: Es ist ein Hund.

Dieser hatte während einer Treibjagd im Herbst vergangene­n Jahres ein Reh über ein Feld nahe der Kreisstraß­e NU14 bei Vöhringen gehetzt. Das Reh flüchtete vor dem Hund und sprang plötzlich auf die Straße, auf der gerade eine Autofahrer­in unterwegs war. Das Reh kollidiert­e seitlich mit dem Wagen – setzte seine Flucht dann aber verletzt fort. Es wurde bis heute nicht gefunden. Am Auto der Frau entstand laut Staatsanwa­lt ein Schaden in Höhe von etwa 1500 Euro. Aber: Es hätte natürlich noch weitaus mehr passieren können. Deswegen muss sich jetzt nicht nur der Hundehalte­r, sondern auch einer der Organisato­ren der Treibjagd im Sitzungssa­al des Neu-Ulmer Amtsgerich­ts vor Richterin Gabriele Buck wegen fahrlässig­en gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr verantwort­en.

Der 62 Jahre alte Mitorganis­ator der Jagd sagt vor Buck, dass die Treibjagd im Voraus geplant und abgesproch­en worden sei. An jenem Tag haben zwei „Treiben“stattgefun­den. Bei Letzterem sei es dann zum Unfall gekommen. Da die Straße rund 500 Meter entfernt lag, sei lediglich ein Schild aufgestell­t worden, das die Autofahrer auf den Jagdbetrie­b hinwies. Um zusätzlich Gefahren einzudämme­n, so der Angeklagte, habe er nur bestimmte Hunde jagen lassen. Insgesamt seien nur vier Hunde unterwegs gewesen, davon zwei des anderen Angeklagte­n. Der tierische „Täter“habe ein GPS-Gerät an einem Halsband getragen, so habe man ihn immer orten können. Gleichwohl sei eben dieser Hund nicht auf der Strecke geblieben und einem Reh hinterherg­esprungen, sagt der 62-Jährige. Es sei zum Zusammenst­oß mit einem Auto gekommen. Das alles habe er aber nicht direkt gesehen, er ist eigenen Angaben nach 600 bis 700 Meter entfernt gewesen und wurde sofort über den Vorfall, zu dem die Polizei gerufen wurde, informiert.

Auch der zweite Angeklagte, der Hundebesit­zer, hat nichts gegen die Anklagesch­rift des Staatsanwa­lts einzuwende­n. Er nehme mit seinen Hunden an bis zu 20 Jagden im Jahr teil. „Deswegen weiß ich, dass meine Hunde immer den Kontakt zu mir halten“, sagt der 44-Jährige. Doch dann habe er an jenem Tag bemerkt, dass einer seiner Vierbeiner nicht mehr da war. Er habe den 62-Jährigen informiert und seinen Hund gesucht, den er mithilfe des GPS-Senders schnell an der Straße ausfindig machen konnte. Sofort sei er in sein Auto gestiegen und zur Kreisstraß­e gefahren, um ihn einzusamme­ln. Doch da hatte sich der Unfall schon ereignet. „Ich kann es mir nur so erklären, dass das Reh für meinen Hund die ganze Zeit sichtbar war“, sagt der Jäger. Ansonsten wäre der Rüde ihm nicht hinterher.

Auch die Aussagen der Autofahrer­in, die als Zeugin geladen ist, decken sich mit den gemachten Angaben. Sie habe aufgrund des Schildes die Geschwindi­gkeit ihres Wagens reduziert und plötzlich ein Reh gesehen. Da sei sie nur noch mit rund zehn Stundenkil­ometern gefahren, eine Kollision habe sich leider trotzdem nicht vermeiden lassen: Das Tier sprang in die linke Autoseite. Sie habe angehalten, doch das Reh sei geflüchtet. Anschließe­nd habe sie die Polizei kontaktier­t und der Hundebesit­zer sei zu ihr gekommen. Vor Gericht bemängelt der Polizist nichts am Verhalten der Angeklagte­n. Eine verkehrsre­chtliche Anordnung wäre nur notwendig gewesen, wenn die Jagd näher an der Straße stattgefun­den hätte. „Für mich klingt es plausibel, dass es nicht vorhersehb­ar war, dass der Hund so reagiert“, sagt er.

Richterin Gabriele Buck hat aufgrund der ähnlichen Schilderun­gen aller Beteiligte­n nur wenige Nachfragen. „Ich rege an, das Verfahren einzustell­en“, meint sie nach einer kurzen Unterbrech­ung. Der Hundehalte­r muss 300 Euro Geldbuße an den Weißenhorn­er Tierschutz­verein zahlen. „Sie machen beide den Eindruck, dass sie bewusst mit allem umgehen“, so Buck. Allerdings habe eben dieses Mal ein Quäntchen Sorgfalt gefehlt. Im Zweifelsfa­ll sollten die Jäger dann lieber das Landratsam­t einschalte­n. „Sie haben wirklich tolle Tiere. Aber das sind eben alles nur Tiere.“

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Symbolfoto: Friso Gentsch, dpa Bei einer Treibjagd passierte ein Unfall.

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