Neu-Ulmer Zeitung

Museum hinter Barrikaden

- VON MARCUS GOLLING

Verkehr Die Sperrung des Ulmer Marktplatz­es hat für das Haus Folgen, die keiner bedacht hat: Kunstspedi­tionen können nicht mehr zum Eingang fahren. Einen anderen Weg hinein gibt es nicht

Ulm Der Fairness halber: Es ist ja nur ein Versuch. Aber die Sperrung des Ulmer Markplatze­s für den Verkehr hat Folgen, die man im Rathaus, von dem man eigentlich einen guten Blick auf die Szenerie hat, wohl nicht bedacht hat. Schließlic­h geht es darum, den Durchgangs­verkehr vorerst auszusperr­en und so die Anwohner zu entlasten. Doch seit dem Beginn des Tests Ende Februar ist das Museum Ulm für Lastwagen praktisch nicht mehr erreichbar – was eher unpraktisc­h ist, denn so eine Kunstspedi­tion kommt eher selten mit dem Lastenfahr­rad. Direktorin Stefanie Dathe ist genervt: Es könne nicht angehen, dass man wertvolle Exponate quer über den Platz tragen müsse.

Das Problem für das Museum ist nicht die Aussperrun­g des Durchgangs­verkehrs, sondern die Maßnahmen, die getroffen wurden, um den Marktplatz zu beruhigen: Gegenüber des Rathauses stehen nun schwere Sitzbänke aus Beton, zwischen denen nur kleinere Fahrzeuge hindurch passen. Museumsche­fin Dathe spricht aus Erfahrung: Erst am Freitag habe der Transporte­r einer Kunstspedi­tion „nur mit Luftanhalt­en“den Parcours bewältigt. Spätestens Ende April, wenn die große Ausstellun­g „Obumbro“abgebaut wird, erwartet Dathe größere Lastwagen; und die hätten – Stand jetzt – keine Chance auf Durchkomme­n.

kann von ihrem Bürofenste­r aus gut beobachten, was unten auf dem Platz passiert, und weiß dementspre­chend auch, dass nicht nur ihr Haus betroffen ist: Morgens kann sie manchmal sehen, wie Getränkeli­eferungen für das Museumscaf­é scheppernd auf Hubwagen über das Kopfsteinp­flaster gezogen werden. „Das geht bei uns schon mal gar nicht“, sagt sie. Schließlic­h sind viele Objekte, die ins und aus dem Museum transporti­ert werden, noch ein wenig empfindlic­her als ein Kasten Mineralwas­ser.

Das zweite Problem des Museums ist nicht ganz so schlimm, aber lästig: Im Rahmen der Beruhigung des Platzes wurden – wie in der Fußgängerz­one – fixe Anlieferze­iten für die Anrainer festgelegt: Nur von 5 bis 11 Uhr morgens ist Lieferverk­ehr überhaupt zugelassen. Auch diese Einschränk­ung findet Dathe für das Museum unpassend: „Wir sind kein gewerblich­er Betrieb, sondern eine öffentlich­e Einrichtun­g“, stellt sie klar.

Inzwischen haben die Klagen aus Dathes Büro auch die Kommunalpo­litik erreicht: Am Freitag verschickt­e die SPD-Fraktion im Ulmer Gemeindera­t einen Antrag zum Thema. In diesem bittet sie darum, „kurzfristi­g eine Möglichkei­t zu schaffen, dass Lkw direkt vor das Museum fahren können“. An der Sperrung auf Probe wollen die Sozialdemo­kraten aber nicht rütteln: „Wir stehen zu diesem Versuch und finden, der Marktplatz hat an Qualität gewonnen.“

Die derzeitige­n Probleme legen aber einen grundsätzl­ichen MissDathe stand im Museum offen: das Fehlen eines Hintereing­angs. Denn das bei einem so großen Haus fast sämtliche Lieferunge­n durch die Besucherpf­orte getragen werden müssen, ist nicht gerade ein Ruhmesblat­t für die Planer der Vergangenh­eit. Man hätte, so Dathe, bei der Errichtung des Neubaus für die Sammlung Fried relativ einfach eine Lösung schaffen können – diese seinerzeit aber aus Kostengrün­den verworfen. Die Museumsche­fin spricht von einem „Schildbürg­erstreich“: „Wäre damals so gebaut worden, wie es die ursprüngli­chen Pläne vorsahen, hätten wir fast alle unsere aktuellen Probleme nicht.“Die aktuelle Situation verhindere sogar, dass das Museum gewisse Leihgaben überhaupt bekommen kann: Objekte, die größer als die Eingangstü­r sind, lassen sich nämlich gar nicht ins Haus bringen.

Immerhin: Für das Problem mit den Barrikaden auf dem Marktplatz ist vielleicht eine Lösung in Sicht, nicht wegen des SPD-Antrags, sondern weil Dathe deswegen schon bei der Stadtverwa­ltung vorgesproc­hen hat. Sie erwartet eine schnelle Lösung. Bis dahin kann sie sich damit trösten, dass das Stadtarchi­v im Schwörhaus wegen der Absperrung­en am Weinhof mit ähnlichen Einschränk­ungen leben muss. Dessen Leiter Michael Wettengel sagt Dathe zufolge, dass seine Institutio­n das einzige Archiv Deutschlan­ds ohne Andienung sei. Dem Museum hilft das aber auch nicht.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Die Bänke versperren den Weg für den Lieferverk­ehr: Das Museum Ulm leidet unter der Verkehrsbe­ruhigung des Marktplatz­es.
Foto: Alexander Kaya Die Bänke versperren den Weg für den Lieferverk­ehr: Das Museum Ulm leidet unter der Verkehrsbe­ruhigung des Marktplatz­es.

Newspapers in German

Newspapers from Germany