Zwei Stiche ins Herz
Gericht Ein 35-Jähriger soll 2013 eine Frau in ihrer Wohnung in Kempten ermordet haben. Nun steht er vor Gericht. Innere Stimmen hätten ihm befohlen, die 63-Jährige zu töten
Kempten Der sogenannte Parterremord von Kempten hat seit Dienstag vor dem dortigen Landgericht ein juristisches Nachspiel. Auf der Anklagebank sitzt ein 35 Jahre alter Allgäuer. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, wenige Tage vor Weihnachten 2013 eine 63 Jahre alte Frau in ihrer Parterrewohnung im Kemptener Westen durch zahlreiche Messerstiche heimtückisch ermordet zu haben. Da der Mann aber unter einer paranoiden Schizophrenie leide, ist er nach Einschätzung der Anklagebehörde schuldunfähig. Deshalb beantragt die Staatsanwaltschaft seine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.
Der Angeklagte trägt eine Brille, eine graue Jacke und wippt bei der Verlesung der Antragsschrift mit seinem Oberkörper mehrmals vor und zurück. Ansonsten wirkt der 35-Jährige ruhig und verfolgt das Verfahren gegen ihn ohne sichtbare Regung. Sein Verteidiger KlausDieter Maier sagt, dass sein Mandant keine Angaben zur Sache machen wolle. Nur über seine persönlichen Verhältnisse wird etwas bekannt: Der Kemptener hat einen mittleren Schulabschluss, keinen Beruf gelernt und in unregelmäßigen Abständen für Zeitarbeitsfirmen gearbeitet.
Rückblick: Wenige Tage vor Weihnachten 2013 wird die Leiche einer Frau in ihrer Wohnung gefunden. Die 63-Jährige war von ihrer Freundin als vermisst gemeldet worden. Die Frau ist durch mehrere Messerstiche getötet worden, laut Obduktionsbericht erlitt sie unter anderem an der Halsvorderseite Messerschnitte. Tödlich waren wohl zwei Stiche ins Herz. Rasch gerät in den folgenden Tagen der Sohn der
Ein Mensch kann nur dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er schuldfähig ist.
Schuldunfähig kann ein Täter sein, weil er noch zu jung ist oder weil die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht vorhanden sind. Dies kann beispielsweise bei einer tief greifenden Bewusstseinsstörung oder einer krankhaften seelischen Störung der 63-Jährigen in Verdacht, seine Mutter getötet zu haben. Er wird in Untersuchungshaft genommen, später aber wieder frei gelassen. Bei einem Haftprüfungstermin ist dem Richter die Beweislage gegen den Mann zu dünn. Rund viereinhalb Jahre vergehen, in denen die Kripo immer noch davon überzeugt ist, dass der Sohn der Täter ist.
Mitte vergangenen Jahres nimmt der Fall eine überraschende Wendung: Der jetzt angeklagte 35-Jährige geht zur Polizei und gesteht den Mord. Er wird in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Laut Staatsanwaltschaft haben ihm Fall sein. Beim Kemptener ParterreMordprozess geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Angeklagte an einer paranoiden Schizophrenie leidet. Entsprechend wird nicht lebenslängliche Haft, sondern die Unterbringung in einer Klinik gefordert.
Es wird entscheidend auf das psychiatrische Gutachten ankommen. (AZ) „Stimmen in seinem Kopf befohlen“, die Frau umzubringen. Der Angeklagte kannte die 63-Jährige. Sie war die Mutter eines Bekannten, mit dem er einmal zusammen gewohnt hatte. Er hatte mit ihr offensichtlich wiederholt Auseinandersetzungen wegen ausstehender Mietschulden.
Als einer der Zeugen tritt der 35 Jahre alte Sohn der Ermordeten auf. Er sagt über den Angeklagten, mit dem er einmal eine Wohnung geteilt hatte: „Manchmal hat man den Eindruck gehabt, dass mit ihm etwas nicht stimmt.“Dann habe er auch Gespräche geführt mit anderen Personen, die es nicht gibt. Als „merkwürdigen Menschen“charakterisiert ein anderer Zeuge den Angeklagten. Der habe auf ihn „wie neben der Kappe“gewirkt, sagte ein guter Bekannter der Getöteten: „Ruhig, eigen, apathisch.“
Der Verteidiger will nicht ausschließen, dass auch jemand anders als Täter infrage kommen könne. Er fragt: Wann wurden abends bei der Frau die Rollläden heruntergelassen und die Terrassentür geschlossen? Ein Urteil wird am 25. April erwartet.
Schuldfähig oder nicht?