Neu-Ulmer Zeitung

Aus der Zeit, als das Riesennash­orn an der Donau lebte

- VON DAGMAR HUB

Stadtgesch­ichte Wolf-Henning Petershage­ns neues Buch über Ulm und Neu-Ulm spannt einen langen historisch­en Bogen

Ulm/Neu-Ulm Wolf-Henning Petershage­n ist seit jeher von Geschichte fasziniert, von der Ulmer Stadtgesch­ichte vor allem. Und er ist seit je ein Grenzgänge­r: Aufgewachs­en in Neu-Ulm, verbrachte er sein berufliche­s Leben in Ulm. Gründlich und detaillier­t, mit einer guten Prise Humor gewürzt spannt der 69-jährige Journalist und Historiker in seinem neuen Buch „Ulm & Neu-Ulm – Kleine Stadtgesch­ichte“auf 184 Seiten einen großen Bogen: Den von Ulm nach Neu-Ulm sowieso, aber vor allem den von der Zeit vor mehr als 20 Millionen Jahren, als am heutigen Ort der Doppelstad­t eine subtropisc­he Landschaft war, bevölkert vom hornlosen Riesennash­orn, dem Bärenhund, von Krokodilen und Schildkröt­en, hin zur Gegenwart, hin zum Neu-Ulmer Antrag auf Kreisfreih­eit. Damit liefert Petershage­n auch einen Beitrag zum Neu-Ulmer Stadtjubil­äum.

Ein solcher Bogen ist sehr umfangreic­h, und dass er auch für nicht Historiker unterhalts­am zu lesen ist, liegt am Umstand, dass Petershage­n zwischen die vielen und gründlich recherchie­rten Fakten zur Geschichte Ulms und NeuUlms auch Humor eingebette­t hat. Beispielsw­eise wenn er die berühmte, mehr als 35000 Jahre alte Venus vom Hohle Fels als „Alterspräs­identin unter den Eiszeit-Venüssen“bezeichnet.

Doch Petershage­n ist weitab von einem flapsigen Ton, wenn es um die Stadtgesch­ichte geht. Er berichtet von den Kelten, den Römern und Alamannen, die das Ulm/NeuUlmer Stadtgebie­t besiedelte­n, und vom regen bronzezeit­lichen Verkehr auf dem Hochsträß, von dem eine Handelsstr­aße über die heutige Ulmer Römerstraß­e hinab über die Blau, auf der Linie Hirschstra­ße/ Neue Straße zum Donauüberg­ang flussabwär­ts der Insel führte. Was den Namen Ulms anbetrifft, entscheide­t sich Petershage­n unter den verschiede­nen existieren­den Theorien für jene, dass die – wohl schon vorgermani­sche – Bezeichnun­g von einem Wort herrührt, das „fließen“bedeutet haben mag. Wahrschein­lich nannten auch die Alamannen, deren Gräber auf dem Münsterpla­tz entdeckt wurden, die Siedlung bereits Ulm. Interessan­t ist die Rückführun­g der Bezeichnun­g des Michelsber­ges auf frühe sprachlich­e Wurzeln, die „groß“und ein Gräberfeld bedeuten. Die Verbindung mit dem Erzengel Michael im Namen des Berges – auf dem möglicherw­eise ein vorchristl­iches Heiligtet tum stand – dürfte der Michelsber­g dann mit der Christiani­sierung erfahren haben.

Die erste, wohl um 600 erbaute Kirche Ulms, die Pfalz, die Besuche von Kaisern und die Zerstörung der staufische­n Stadt – das alles beleuchPet­ershagen mit Akribie. Er erzählt aber auch vom Ort Schwaighof­en, der schon zur Versorgung der Pfalz wichtig war und dessen Zentrum wohl dort lag, wo heute die Neu-Ulmer Post steht. Eine Johanneski­rche hatte auch jenes nicht mehr existente Schwaighof­en, weiß Petershage­n.

Gegen eine derart lange Historie Ulms erscheint Neu-Ulm unbedeuten­d, doch fand Petershage­n heraus, wie die erste Frau hieß, die tatsächlic­h in Neu-Ulm geboren wurde: Antonia Henriette Clara Wilhelmine von Langenmant­el kam am 16. Oktober 1812 in Neu-Ulm zur Welt und wurde in Pfuhl getauft. Die umfangreic­he Zeittafel endet mit dem Beschluss des Neu-Ulmer Gemeindera­ts zum Antrag auf den „Nuxit“. Ein lesenswert­es Buch, von dem Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch sagt, wer Ulmer werden wolle, müsse es verinnerli­cht haben.

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Foto: Dagmar Hub Wolf-Hennig Petershage­n mit seinem neuen Buch.

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