Ihr letzter Fall
Feiertagskrimi Lürsen und Stedefreund nehmen nach 18 gemeinsamen Jahren spektakulär Abschied vom Bremer „Tatort“. Sie waren ein mittelprächtiges Ermittlerduo
Bremen Dass ein TV-Krimi ein Spiegelbild der Gesellschaft samt ihrer komplizierten Charaktere sein muss, ist offenbar eine speziell deutsche Eigenheit.
Hat das ländliche England den korrekten Ermittler Barnaby und Italien den höflichen Commissario Brunetti aus Venedig, der sich dennoch mit seinem trotteligen ViceQuestore anlegt, muss man sich um deren Kollegen aus dem „Tatort“regelrecht sorgen. Man denke nur an den seit der Ermordung seiner Familie traumatisierten Kommissar Faber aus Dortmund. Oder den Dresdner Kommissariatsleiter Schnabel, den man sich als AfDMitglied vorstellen kann.
Zum Mainstream der Kommissare gehörten auch die Bremer Inga Lürsen (Sabine Postel) und ihr Kollege Nils mit dem schönen Nachnamen Stedefreund (Oliver Mommsen) nicht. Mit dem Ostermontag„Tatort“, der um 20.15 Uhr gesendet wird, steigt das Duo nach 18 gemeinsamen Jahren aus. Nach dem Motto, man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist.
Was war denn das Schönste mit den beiden? Was in Erinnerung bleibt, ist vordergründig ein mittelprächtiges Ermittlerduo, mit einer Lürsen, die gern schlecht drauf ist und mit ihrem jungen Mann, der mitunter nicht weiß, ob er zwischen Recht und Unrecht unterwegs ist.
Bis zur Abschlussfolge „Wo ist nur mein Schatz geblieben?“passte kein Blatt Papier zwischen die beiden, die trotz mentaler Unterschiede eine besondere Freundschaft entwickelten. Inga Lürsen (harte Schale, weicher Kern) ermittelt humorlos und bauchgesteuert. Mit ihrer Art, Verdächtigen geduldig zuzuhören, hat sie schon manchen Fall gelöst. Und sie hat keine Probleme, Dienst und Privatleben zu vermischen. Seit Jahren ist Tochter Helen mit im Team – die Mama wird’s schon richten.
Anders als seine launische Kollegin will Stedefreund mit dem Kopf durch die Wand. Da kann es vorkommen, dass er ohne Hose durch eine Moorlandschaft irrt. Der geschiedene Stedefreund hat einen Blick für attraktive Frauen, was Lürsen nicht entgeht. Und er steht auf den Fußball-Bundesligisten Werder Bremen. Umso überraschender ist es, dass die Freundschaft der Ermittler sich in der Abschiedsfolge zum Drama auswächst.
Bei den Ermittlungen zum Mord an einer jungen Frau wird Stedefreund zur rätselhaften Figur, die angeblich seit einer Auszeit 2013 in Afghanistan von Albträumen geplagt wird. Zum Entsetzen von Inga Lürsen lügt sich ihr Kollege durch ein fein gewebtes BKA-Netz aus Korruption und Geldwäsche einer tschetschenischen Mafia . Große Reden schwang vor einem Jahr der Programmdirektor von Radio Bremen,
Jan Weyrauch. „Den Abgang der beiden werden wir mit einem furiosen Finale zelebrieren.“
Leider findet Stedefreund, der zu Beginn beim gemeinsamen Tandem-Absprung aus einer Propellermaschine seiner Lürsen zum frohlockenden Singen von Reinhard Meys „Über den Wolken“verhilft, nicht mehr aus dem Netz des Verbrechens heraus. Was bleibt, ist ein ziemlich unglaubwürdiges, grenzwertiges Finale.
Wie und überhaupt geht es künftig in der Hansestadt Bremen weiter? Noch lässt der Sender nichts raus. Kein Bundesland verschenkt aber gern einen „Tatort“. Im Frühjahr 2020 wird weitergedreht. Unser Wunsch für die Zukunft: Eine Hauptkommissarin, die morgens lächelnd mit Croissants für alle zum Dienst kommt, egal was der Tag auch bringen mag. »Fernsehseite