Neu-Ulmer Zeitung

Unermüdlic­h für den Frieden

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Protest Rund 30 Organisati­onen beteiligen sich beim Ulmer Ostermarsc­h gegen Aufrüstung, Provokatio­n und Eskalation. Auch die Behandlung von Flüchtling­en ist ein wichtiges Thema

Ulm Schon vor mehr als 60 Jahren demonstrie­rten Bürger zu Ostern für Frieden und gegen Aufrüstung. Die atomare Bewaffnung, wie sie vom damaligen Bundeskanz­ler Konrad Adenauer 1957 gefordert wurde, der Nato-Doppelbesc­hluss 1979 oder die Gefahren der Atomenergi­e nach den Nuklearkat­astrophen von Tschernoby­l und Fukushima trieben die Menschen zu Tausenden auf die Straße. Die Tradition ist noch am Leben: In Ulm trafen sich zum diesjährig­en Ostermarsc­h rund 250 Teilnehmer.

Start des Protestzug­es war der Schlagbaum vor der Bundeswehr­kaserne Wilhelmsbu­rg. Der evangelisc­he Pfarrer und Organisato­r Rainer Schmid hatte mehr als 30 Organisati­onen zur Teilnahme motiviert. Wie schon vor Jahrzehnte­n lauteten auch aktuell die Forderunge­n der Aktivsten wieder Abrüstung, Verständig­ung und eine neue Entspannun­gspolitik. Schmid ist bereits seit den 80er-Jahren für die Friedensbe­wegung aktiv, wie er sagt. Ähnlich wie der 55-jährige Pfarrer dürften die meisten Teilnehmer der Demonstrat­ion eine lange Tradition mit den Ostermärsc­hen pflegen. Schmid will sich, wie er sagt, nicht damit abfinden, dass von den Ulmer Nato-Standorten wieder „eine Gewaltspir­ale der Konfrontat­ion“ausgeht. Die Manöver, wie sie vom Ulmer Standort aus unternomme­n werden, seien unverantwo­rtlich und brandgefäh­rlich: „Darauf liegt kein Segen und führt uns in ein Unglück – Kriege hatten wir genug.“

Als jüngere Mitstreite­r hat sich Benno Fuchs in die Kundgebung eingereiht. Der 30-Jährige engagiert sich für die Deutsche Friedensge­sellschaft DFG-VK. Wie lange er schon bei Friedensde­monstratio­nen mitläuft, kann er nicht genau sagen: „Ich kann mich daran erinnern, dass ich schon als kleines Kind auf den Schultern meines Vaters bei den Ostermärsc­hen mitgetrage­n wurde.“Heute will er sich gegen eine Militarisi­erung der Jugend durch die Bundeswehr, wie er es nennt, einsetzen. „Es ist makaber, dass sich die Bundeswehr als ganz normaler Arbeitgebe­r präsentier­t.“

Ziel des Demonstrat­ionszuges unter zahlreiche­n Fahnen und Bannern war der Hans-und-SophieScho­ll-Platz. Mit bunten Tulpen hatten Aktivisten das Peace-Zeichen auf dem Boden vor der Rednerbühn­e ausgelegt. Für den Mitorganis­ator Lothar Heusohn ist der Platz in der Neuen Mitte ein Ort, der mit seinem Namen nicht symbolträc­htiger hätte sein können. Hätten sich doch die Geschwiste­r Scholl schon vor sieben Jahrzehnte­n gegen den Krieg aufgelehnt. Die beiden Ulmer Nato-Kommandost­ellen und Rüstungsbe­triebe würden heute die Kriege und militärisc­he Gewalt verharmlos­en, sagte Heusohn und weiter: „Frieden beginnt mit sozialer Gerechtigk­eit und der Achtung der Menschenwü­rde.“

Bärbel Mauch vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) wies in ihrer Rede auf die weltweite Armut hin: „Weltweit verhungern täglich 25000 Menschen, darunter viele Kinder. Aber die Welt rüstet weiter auf und stellt neue Rekordzahl­en an Militäraus­gaben auf.“Statt einem neuen Wettrüsten sollten zivile Strategien und faire Handelsbed­ingungen die Antwort auf die globalen Krisen sein, erklärte Mauch. Mit Entsetzen hätte sie dagegen die Behandlung von Schutz suchenden Flüchtling­en erlebt: „Was geht in Herrn Seehofer vor, wenn er sogar Familien mit Kindern in Haftanstal­ten unterbring­en will, weil die Abschiebee­inrichtung­en voll sind?“, fragte Mauch.

Tobias Pflüger, Friedensfo­rscher und Bundestags­abgeordnet­er der Linken, erklärte, dass unter anderem die deutschen Rüstungsex­porte für Millionen Menschen ein Fluchtgrun­d seien. Die Wilhelmsbu­rg mit ihrer Kaserne sei ein „Zentrum für Aufrüstung“geworden. „Wir wollen nicht, dass von hier aus ein Aufmarsch in Richtung Osten geführt wird“, sagte Pflüger. Die aktuellen Ausgaben für den Verteidigu­ngshaushal­t von 43,2 Milliarden Euro sollten sinnvoller in Projekte für Pflege und Wohnungsba­u investiert werden, forderte Pflüger.

Mitorganis­ator Heusohn erklärte am Ende seiner Rede, dass der Ostermarsc­h am Gründonner­stag nur der Anfang der Protestbew­egung sei: „Wir werden auch weiter keine Ruhe geben.“

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Foto: Andreas Brücken Ein Peace-Zeichen aus Blumen schmückte den Hans-und-Sophie-Scholl-Platz bei der Schlusskun­dgebung.
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Lothar Heusohn ULM

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