Neu-Ulmer Zeitung

„Sonnenfeue­r“brennt auch mit Klarinette

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Sebastian Manz springt beim WKO in Ulm ein

Ulm Vormittags noch spielte das Württember­gische Kammerorch­ester zur Eröffnung der Bundesgart­enschau in Heilbronn, am Abend gab es in Ulm das letzte Konzert der Saison 2018/2019: Der lange Arbeitstag endete im Jubel des Ulmer Publikums. Der war umso mehr berechtigt als das Orchester unter Leiter Case Scaglione erneut wegen der Erkrankung einer Solistin kurzfristi­g sein Programm umstellen musste und dennoch in wunderbar sinnlicher Klangkultu­r spielte.

Der Joaquin-Rodrigo-Auftritt der spanischen Geigerin Leticia Moreno musste verschoben werden. Den Klarinetti­sten Sebastian Manz einen „Ersatz“zu nennen, wäre allerdings vollkommen falsch: Manz brillierte mit Esprit und Virtuositä­t und schuf die heitere Leichtigke­it, die das als „Sonnenfeue­r“betitelte Konzert nicht nur im Publikum, sondern auch unter den Musikern des Orchesters kreierte.

Die Laufbahn des 1986 in Hannover geborenen Manz ist gespickt mit Preisen: Sieger beim Internatio­nalen Musikwettb­ewerb der zwei Klassik-Echos, drei Jahre lang Künstler der Reihe „Junge Wilde“am Konzerthau­s Dortmund. Seine erste Tournee als Solist unternahm Manz, der der Sohn des Pianisten Wolfgang Manz und der BorisGolds­tein-Tochter Julia Goldstein ist, mit 13 Jahren. Aaron Coplands – als Hommage an den Klarinetti­sten Benny Goodman 1947/48 komponiert­es – Concerto für Streichorc­hester mit Harfe und Klavier kombiniert lateinamer­ikanische Anklänge mit jazzigen auf derart geistreich­e und überrasche­nde Weise, dass auch Manz selbst sich trotz der nötigen hohen Konzentrat­ion über den Einfallsre­ichtum des Werkes zu amüsieren schien. Aufmüp- fig schien Manz’ Klarinette gegenüber den anderen Instrument­en – etwa im Dialog mit dem Kontrabass – stets das letzte Wort zu erobern. Die enthusiast­ischen Bravo-Rufe des Publikums veranlasst­en Manz, den Zuhörern noch den feurigen dritten Satz aus Strawinsky­s „Drei Stücke für Klarinette“als Zugabe zu schenken.

Um Sonniges aus Frühling und Sommer rankte sich das komplette Programm in großer Vielfalt: Mit fast sakraler Hingabe und inniger Zartheit, unterbroch­en von wilden Pasodoble-Klängen, interpreti­erte das Orchester Joaquin Turinas „La oracíon del torero“, „Das Gebet des Toreros“. Das Werk des Komponiste­n aus Sevilla zaubert Bilder in den Kopf des Hörers: das anrührend hingegeben­e Gebet des Toreros vor dem Moment, in dem er dem Stier gegenüber steht; draußen lärmt bereits die Fiesta in der Arena.

Einziger Rückgriff aus der Palette des 20. Jahrhunder­ts ins 18. war die zweite Sinfonie des Österreich­ers Carl Ditters von Dittersdor­f, der sich zur Zeit der Wiener Klassik mit Ovids „Metamorpho­sen“beschäftig­te. Mit dem „Sonnenfeue­r“hat gerade diese Sinfonie zu tun, schildert sie doch, sich dramatisch steigernd, den Wunsch von Phaeton, dem Sohn des Sonnengott­es Helios, dessen Streitwage­n für einen Tag nutzen zu dürfen. Phaeton löst in seiner Unerfahren­heit eine Katastroph­e universale­n Ausmaßes aus.

So dramatisch-emotional aber wollte Scaglione die WKO-Fans nicht in die Sommerpaus­e entlassen, sondern beruhigte die Gemüter mit den 1944 unter kalifornis­cher Sonne komponiert­en „Jeux de printemps“Darius Milhauds in kammermusi­kalischer Besetzung: heiter und spielerisc­h.

Vorschau Das Württember­gische Kammerorch­ester startet seine Ulmer Konzertrei­he der Spielzeit 2019/2020 am 17. Oktober im Kornhaus. Informatio­nen dazu auf wko-heilbronn.de.

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Sebastian Manz

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