Nicht nur der Präsident muss diese Wahl fürchten
Hintergrund 25 Jahre nach dem Ende der Apartheid steht Südafrika am Scheideweg. Nur wenn der ANC mit seiner korrupten Vergangenheit abschließt, wird er an der Macht bleiben. Die Populisten lauern schon
Kapstadt Cyril Ramaphosa bemühte sich nicht, den Zustand seiner Partei schönzureden. „Wir sind uns bewusst, dass Vetternwirtschaft und Korruption das Vertrauen und die Zuversicht der Menschen ausgehöhlt haben“, sagte Südafrikas Präsident bei einer Kundgebung des „African National Congress“(ANC) in Johannesburg. Nun sei die „Ära der Straflosigkeit“vorbei: „Wir betreten die Ära der Rechenschaft.“
Es ist Ramaphosa, 66, positiv anzurechnen, dass er vor den Wahlen am Mittwoch die Schweigekultur der Regierungspartei angesichts ihrer Verfehlungen zu durchbrechen versucht. Umso bezeichnender ist es allerdings, dass ein Vierteljahrhundert nach Beginn der Demokratie in Südafrika Selbstverständlichkeiten des Rechtsstaates zum neuen Zeitalter ausgerufen werden.
15 Monate nach dem erzwungenen Rücktritt von Jacob Zuma ist sein Nachfolger an der Spitze des Staates weiterhin damit beschäftigt, die Trümmer jahrelanger und systematischer Staatsplünderung zusammenzukehren. Noch profitiert der ANC von seinen Verdiensten im Befreiungskampf gegen die Apartheid. Doch die sind drei Jahrzehnte her und verblassen zunehmend. Der ANC wird die Wahlen gewinnen. Als ebenso sicher gelten aber auch Verluste im Vergleich zum Jahr 2014, als die Partei auf 62 Prozent der Stimmen gekommen war.
Die meisten Meinungsforschungsinstitute erwarten einen Sieg mit 55 bis 60 Prozent – mit Ausnahme der Denkfabrik „Institute of Race Relations“, nach deren Umfrage der ANC die absolute Mehrheit knapp verpassen könnte. In diesem Fall würde sich Ramaphosa wohl nicht mehr lange an der Macht halten können, wahrscheinlich auch, wenn das Ergebnis unter 55 Prozent liegen sollte. Die Partei ist tief gespalten, den Reformisten um Ramaphosa steht die alte Zuma-Riege unter Führung des ANC-Generalsekretärs Ace Magashule gegenüber.
Der Präsident weiß um sein instabiles Fundament. Während der Umbruchjahre am Ende der Apartheid verdiente er sich als ANC-Unterhändler den Ruf eines glänzenden Taktikers. Dieses Gespür bewies er auch zuletzt. Er machte die von Zuma zerlegten Justizbehörden wieder funktionsfähig und tauschte einige inkompetente Minister aus – ohne jedoch zu viele Köpfe aus dem Zuma-Lager rollen zu lassen. Optimisten glauben, dass er mit einem klaren Sieg im Rücken größere Aufräumarbeiten angehen kann.
Weit wahrscheinlicher ist eine Phase des Populismus in Südafrika. Bester Beleg dafür sind die aufstrebenden Linkspopulisten der „Economic Freedom Fighter“(EFF), die mit ihrem Gerede von Verstaatlichung der Banken und Enteignungen weißer Farmer einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten. Regierung und Opposition unterschätzten lange deren Gründer und Vorsitzenden Julius Malema. Seine kleine Fraktion (aktuell sechs Prozent) tritt meist im roten Bergarbeiter-Outfit auf – eine Referenz auch an das Blut, das schwarze Bergmänner für den Profit von Konzernen vergossen haben. Selbst Korruptionsskandale scheinen die EFF nicht nachhaltig beschädigt zu haben. Immer wieder schrien sie während der Zuma-Präsidentschaft Parlamentssitzungen nieder. Das verhinderte so manche dringend notwendige Debatte, machte die EFF aber deutlich wahrnehmbarer als die vier Mal so große oppositionelle „Democratic Alliance“(DA).
Kaum ein Analyst traut dieser DA, die für viele westliche Beobachter der größte Hoffnungsträger Südafrikas ist, Stimmengewinne zu. Abseits der Wirtschaftszentren am Westkap und im Großraum Johannesburg gelang es der Partei bislang nicht, ausreichend neue schwarze Wähler zu gewinnen. So mancher weiße Stammwähler liebäugelt mit kleineren Parteien, besonders auf dem Land. Die Schwäche der Opposition wird den ANC wohl noch einmal an der Macht halten. Der bereitet – getrieben von der EFF – Gesetze vor, die bald die Enteignung weißer Farmer erleichtern würden.
Die größten Zugewinne aber – und das ist die eigentlich schlechte Nachricht – werden wohl die NichtWähler verzeichnen. Rund ein Drittel der Wahlberechtigten wird wohl nicht wählen gehen. Über die Hälfte der Südafrikaner zwischen 18 und 30 Jahren hat sich gar nicht erst für die Wahlen registriert, für deren Ausweitung auf alle Bevölkerungsschichten vorangegangene Generationen so hart gekämpft hatten.
Die Arbeitslosigkeit ist mit 27 Prozent extrem hoch, die Wirtschaft dümpelt bei 1,2 Prozent Wachstum und die Lebenshaltungskosten steigen. Die Folgen dieser Politikverdrossenheit unter Menschen, die zudem am meisten unter Jobmangel und Armut leiden, müsse als „zutiefst gefährlich für die Demokratie“gesehen werden, kommentierte die renommierte Online-Nachrichtenseite Daily Maverick treffend.
Verantwortlich dafür ist auch der Wahlkampf. Die Parteien setzten nahezu alle auf „Negative Campaigning“, also darauf, fast ausschließlich auf die Versäumnisse des politischen Gegners hinzuweisen, anstatt Lösungsvorschläge für die drängendsten Probleme zu präsentieren: Arbeitsplatzmangel, ausbleibende Investitionen, hohe Kriminalität und ein Bildungssektor, der auch im Vergleich zu deutlich ärmeren Ländern in Afrika miserable Ergebnisse hervorbringt.
Regierungspartei liegt in den Umfragen deutlich vorne