Neu-Ulmer Zeitung

Rammstein: Brav ist das neue Böse

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Rockmusik Lange hat es auf sich warten lassen, jetzt ist das neue Rammstein-Album da. Doch kann es sein, dass die Berliner inzwischen zu nett sind für ihr provokativ­es Kerngeschä­ft?

auf den Rücken der Musik“). Der Sound von „Radio“orientiert sich ein bisschen an Kraftwerk, der anderen deutschen Ikonenband.

Überhaupt fällt auf, dass Rammstein trotz immer wieder einsetzend­er harter Gitarren wohl noch nie so melodisch und regelrecht freundlich klangen wie auf „Rammstein“. Zwar spielte die Plattenfir­ma den Journalist­en das Werk in einem Köln-Ehrenfelde­r Lokal vorab in geradezu ohrenbetäu­bender Lautstärke vor, sodass es härter und lauter und Metal-näher wirkte, als es ist. Doch selbst unter derartigen Extrembedi­ngungen bleibt die relative Unanstößig­keit von „Rammstein“nicht verborgen.

So ist „Zeig dich“, harte Gitarrenri­ffs hin oder her, eine erwartbare und etwas effekthasc­herische (alle Begriffe fangen mit „V“an, Vergebung, Verfehlung, Vergnügen usw.) Kirchenkri­tik zum Mitsingen, „Sex“eine nur ganz leicht perverse Hymne auf selbigen, mit einem Refrain, der auch im Kölner Karneval einsetzbar ist („Wir leben nur einmal, wir lieben das Leben“).

Und „Ausländer“, ein Lied über Männer, die liebestoll vor fremdsprac­higen Frauen stehen? Sehr

Manche Lieder hinterlass­en keinen bleibenden Eindruck

wohlwollen­d betrachtet prangert die rhythmisch­e, leicht in Richtung Indie-Disco-Schlager driftende, Nummer den weltweiten Sextourism­us an. Man könnte „Ausländer“aber auch für eine Hymne auf das Liebeslebe­n von Sprachschü­lern halten.

Manche Lieder hinterlass­en auch überhaupt keinen bleibenden Eindruck, in einem, es heißt „Tattoo“, wirkt der über seine Tätowierun­gen singende Lindemann fast schon von sich selbst gelangweil­t, aber zwei Mal noch ist er richtig gut. In „Hallomann“, dem letzten Lied, gibt er den fiesen Kindesräub­er, der ein blondes Mädchen entführt, um es am Strand mit Muscheln und Pommes frites zu füttern. Der heimliche Höhepunkt aber heißt „Puppe“, es ist der sowohl musikalisc­h als auch textlich neben „Deutschlan­d“interessan­teste Song. In der sich ruhig entfaltend­en Ballade über eine märchenhaf­te, abgründige Horrorund Gewalteska­lation („Und dann beiß’ ich der Puppe den Hals ab“) ist Till Lindemann wirklich zum Fürchten gut.

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Foto: Jes Larsen Am Freitag veröffentl­ichen Rammstein ihr neues Album „Rammstein“.

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