Waldbesitzer sehen rot
Schädling Förster im Landkreis Neu-Ulm wollen der Ausbreitung des Borkenkäfers entgegenwirken. Wie das gelingen soll und was gestresste Bäume damit zu tun haben
Illertissen/Neu-Ulm Wenn Waldbesitzer auf der im Internet abrufbaren Gefährdungskarte für Borkenkäfer rote statt grüne Flächen sehen, ist höchster Alarm angesagt. Denn ein geordnetes Eingreifen geht zu dem Zeitpunkt kaum mehr: Der Borkenkäfer hat überall unter den Rinden der braun gewordenen Nadelbäume – meist Fichten – Gänge gebohrt und dort seine Brut abgelegt. Förster Bernd Karrer, Michael Kölbl, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Neu-Ulm sowie Josef Mack, Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Neu-Ulm, starren an diesem Vormittag auf einen Bildschirm im Forsthaus in Illertissen: Das östliche Bayern ist rot. Damit das nicht auch im Westen passiert, drängen sie nun zu Kontrollen.
Denn: Gestresste Bäume durch den trockenen Sommer im Vorjahr, eine vom Frost nicht auszurottende Borkenkäferpopulation und der angekündigte neuerliche trockenheiße Sommer lassen sie das Schlimmste befürchten. So haben sich die drei gewissermaßen zur Krisensitzung getroffen und die Redaktion unserer Zeitung dazu geholt.
Die Förster appellieren an die Einsicht und Kooperation der privaten Waldbesitzer und Waldrechtler, ihren Baumbestand mindestens einmal pro Woche zu kontrollieren und befallenes Holz sofort aus dem Wald heraus zu schaffen. Wer, wie Kommunen oder Kirchenstiftungen die Betriebsgemeinschaft mit der Pflege seines Waldes beauftragt habe, profitiere – ebenso wie der Staatswald – von der Aufsicht durch die ForstExperten.
Als Unart mit verhängnisvollen Folgen bezeichnet es etwa Bernd Karrer, wenn Privatleute ihr Brennholz innerhalb ihres Waldes lagerten. Dem Borkenkäfer werde so unnötigerweise weiterer Lebensraum geboten. Karrer weist darauf hin, dass das Gesetz die Waldbesitzer verpflichte, den Schädlingsbefall zu bekämpfen. Der zur bayerischen Forstverwaltung gehörende Förster sagt: „Betroffene Waldeigentümer können sich in den Revieren in Illertissen und Pfaffenhofen oder bei der Forstbetriebsgemeinschaft unverbindlich melden und Rat einholen.“Es gebe genügend zuverlässige Unternehmer, die mit der Aufarbeitung betraut werden könnten, so Karrer. Beratung zähle zu den Aufgaben der Forstverwaltung und Forstbetriebsgemeinschaft. Sie helfen mit, das Käferholz wegzubrinund zu vermarkten. Als die zugehörigen Förster sind sie selbst unterwegs, um nach trockenen Baumwipfeln und Bohrmehlresten an der Baumwurzel, nach unbeachteten Windwürfen oder Schneebrüchen Ausschau zu halten. „Gegebenenfalls schreibt die Forstverwaltung die Besitzer an und hakt auch nach, falls die nötigen Maßnahmen ausbleiben“, so Karrer. Den Privatleuten werde eine Aufarbeitungsfrist von zwei Wochen gegeben.
Unter den Borkenkäfern seien der etwa fünf Millimeter große Buchdrucker und der etwas kleinere Kupferstecher am meisten verbreitet. Ihre Namen verweisen auf die Zeichnung ihrer Bohrspuren: Der Buchdrucker schafft sich einen Hauptgang, von dem aus er symmetrisch kleinere Seitengänge für die Brutablage anlegt. Beim Kupferstecher sind die Zeichen seines schädigenden Eindringens feingliedriger. In beiden Fällen weist aber braunes Bohrmehl auf ihr Vorhandensein hin. Und wenn die Wipfel braun werden, sind sie die Anzeichen, dass die Bäume langsam absterben. Denn die zwischen Rinde und Stamm verlaufenden Bohrgänge haben ihnen die Saftzufuhr von den Wurzeln nach oben abgeschnitten.
Einen weiteren Wermutstropfen in der Waldwirtschaft stelle der „unterirdisch tiefe“Holzpreis dar, sagt Michael Kölbl. Das Käferholz aus dem Vorjahr sei noch nicht aufgebraucht und schon müsse mit neuem gerechnet werden. Dabei gebe es – außer schnellen Reagierens und einer Lagerung des Käferholzes mindestens 500 Meter abseits des Waldes – wenig Möglichkeiten, die gestressten Nadelbäume zu schützen, so Kölbl. Denn die Schädlinge könnten die schwachen Bäume anhand der von diesen ausgehenden Pheromonen, also Botenstoffen, „riechen“. Und, wie häufiger in der Tierwelt zu beobachten, würden Borkenkäfer ihre entdeckte Futterquelle sofort über eigene Pheromone an ihre Artgenossen mitteilen. Werden die Aktivitäten nicht untergen
bunden, kann ein Tier binnen Jahres 100000 Nachkommen produzieren. Was drei Generationen entspreche. Kölbl hat noch eine andere Zahl vor Augen: „Etwa 600 Käfer lassen einen Baum absterben.“Klimaveränderungen, Orkanstürme und etwaiger Wildverbiss bei nachwachsenden Bäumen dazugerechnet – den Förstern werde der Spaß an der Arbeit gerade ziemlich verdorben, findet Kölbl.
So wiederholt Josef Mack als Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Neu-Ulm den Appell an die privaten Waldeigentümer, sich um ihren Bestand an Nadelbäumen zu sorgen. Große und anfällige Waldgebiete gebe es etwa in der Region Pfaffenhofen bis Hürbishofen. Und im Süden sollten vor allem Waldbesitzer im oberen Rothtal ein Auge auf ihre Nadelbäume haben.
Zu schnell könnten sich die Schädlinge ausbreiten, und würden dabei vor keiner Landesgrenzen haltmachen, wie die Karten beweisen, so Kölbl.
Waldbesitzer werden notfalls angeschrieben