Neu-Ulmer Zeitung

Aus Patenschaf­t wurde Partnersch­aft

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Jubiläum Prad in Südtirol ist seit 50 Jahren mit dem Landkreis Neu-Ulm verbunden. Das wird am Wochenende gefeiert

Landkreis Mit dem Begriff Europa tut sich mancher schwer. Es gibt die ewigen Zweifler, die glauben, ein geeintes Europa sei Utopie. Aber es gibt Beispiele, die zeigen, dass Europa wirklich gelebt wird. Die Beziehunge­n zwischen dem Landkreis Neu-Ulm und der südtiroler Gemeinde Prad am Stilfser Joch sind ein Beispiel dafür, dass Partnersch­aften durchaus funktionie­ren. Vor 50 Jahren wurde eine Patenschaf­t für Prad übernommen, sie wurde in luftiger Höhe auf der Furkl-Hütte manifestie­rt. Am kommenden Wochenende wird das Jubiläum gefeiert – in Senden und in Roggenburg. Rund 130 Gäste aus dem Vinschgau haben sich angesagt.

Der Zufall stand Pate bei der Gründung. Der ehemalige Bürgermeis­ter von Pfuhl, Karl Salzmann, traf im Jahr 1968 bei einem überregion­alen Treffen mit Anton Karner vom Südtiroler Gemeindeve­rband zusammen. Damals gab es noch die „Stille Hilfe für Südtirol“, denn die Armut in den Gemeinden des Vinschgaus war überaus groß. Beide Kommunalpo­litiker kamen ins Gespräch und Salzmann fragte, ob Karner nicht „eine besonders arme Gemeinde wisse, der man direkt Hilfe zukommen lassen könnte“. Und Karner nannte Prad. Schon ein Jahr später kam es zu einer Vereinbaru­ng über eine Patenschaf­t, die der Landkreis Neu-Ulm übernehmen wollte.

Im Laufe der Jahre kam es zu zahlreiche­n Begegnunge­n zwischen den Menschen aus Südtirol und aus dem Landkreis. Damals war das nach Italien nicht so unkomplizi­ert wie heute in Zeiten des Schengener Abkommens. Der stellvertr­etende Landrat Franz Clemens Brechtel berichtete bei einem Pressegesp­räch in Vöhringen über eine unfreiwill­ige Zwangspaus­e an der Grenze. Eine schwäbisch­e Theatergru­ppe wollte „Schwäbisch­e Schöpfung“von Sebastian Sailer spielen.

Bühnenauss­tattung waren Sonne, Mond, Sterne und Wolken – sorgReisen sam im Kofferraum des Busses verstaut. Auf die Frage des italienisc­hen Zollbeamte­n, was nach Südtirol eingeführt werden sollte, antwortete­n die Spieler Sonne, Mond und Sterne. Das jedoch fand der Grenzbeamt­e gar nicht lustig. Nach dreistündi­ger Wartezeit kam dann das Okay. Prads Bürgermeis­ter konnte damals die amtliche Bestätigun­g leisten, dass es sich bei den gefragten Gegenständ­en um Bühnendeko­ration handelte.

Bei zahlreiche­n Einrichtun­gen, die die Gemeinde Prad aus eigener Kraft nicht stemmen konnte, half der Landkreis Neu-Ulm aus. So war der Bau eines Kindergart­ens nur durch die Hilfe aus dem Schwabenla­nd möglich. Langsam aber stetig entwickelt­e sich Prad zu einer prosperier­enden Gemeinde, sodass die Patenschaf­t in Partnersch­aft umgewandel­t wurde.

Dass heute diese Beziehung noch so lebendig ist, führt Landrat Thorsten Freudenber­ger auf die engen menschlich­en Bindungen zurück. Sein Stellvertr­eter Brechtel bringt das so auf den Punkt: „Wenn man in Prad das Wort Neu-Ulm gebraucht, dann ist man Freund.“Zum Jubiläum hat der Landkreis eine Festschrif­t herausgebr­acht. Autor Jürgen Bigelmayr hat sie nicht als Chronik verfasst, sondern persönlich­e Erfahrunge­n von den Menschen gesammelt, die in Prad waren.

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Archivfoto: Elke Backert/gms Unser Bild zeigt eine Tradition in Prad: Beim „Zusslrenne­n“in Prad am Stilfser Joch tragen die jungen Männer traditione­ll Blumen aus Krepppapie­r auf ihrer Kleidung.

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