Neu-Ulmer Zeitung

Der verurteilt­e Zeitdiebst­ahl

- VON JOACHIM BOMHARD

Das Luxemburge­r Stechuhr-Urteil wird die Welt der Arbeit verändern. Viele ungeschrie­bene Arbeitszei­tregelunge­n zwischen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er, die auf Flexibilit­ät und gegenseiti­gem Vertrauen aufbauen, sind nur noch Makulatur. Ebenso aber alle Geschäftsm­odelle, die nur dank systematis­chen Zeitdiebst­ahls und Aushebelun­g von Arbeitnehm­errechten funktionie­ren.

Die Richter schreiben mit ihrer Entscheidu­ng die vollständi­ge Erfassung der Arbeitszei­ten vor. Sie entziehen damit Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern in gleichen Maßen Freiheiten. Den einen das (manchmal) grenzenlos­e Verfügen über die Zeit der Anderen, den Anderen die eigenveran­twortliche Einteilung ihrer Tätigkeite­n in einer modernen Arbeitswel­t, was viel mit gegenseiti­gem Vertrauen zu tun hat.

Es ist ein absolut arbeitnehm­erfreundli­ches Urteil, weil es Beschäftig­ten helfen kann, gesetzlich garantiert­e Rechte besser durchzuset­zen. Zwar wird von Kritikern als Folge ein wahres Bürokratie­monster an die Wand gemalt, das nicht in diese Zeit passt. Aber dies klingt nach einer Schutzbeha­uptung, um weitermach­en zu können wie bisher. Das weitreiche­nde Urteil gäbe es vermutlich nicht, würden sich alle an grundlegen­de Rechte von Arbeitnehm­ern halten.

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