Neu-Ulmer Zeitung

Die zwei Probleme der Ministerin Giffey

- VON BERNHARD JUNGINGER

Hintergrun­d Die SPD-Politikeri­n, die für das Ressort Familie zuständig ist, muss sich seit Monaten mit einer heiklen Posten-Affäre herumschla­gen. Und es gibt eine weitere Baustelle

Berlin Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) gerät zusehends in die Defensive – und zwar nicht nur wegen der Plagiatsvo­rwürfe bei ihrer Doktorarbe­it, sondern auch wegen einer brisanten Personalan­gelegenhei­t. Die Grünen im Bundestag und der Lesben- und Schwulenve­rband Deutschlan­d (LSVD) fordern von der 41-Jährigen, den Chefposten der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes nach mehr als einjährige­r Vakanz endlich zu besetzen. Hintergrun­d der Vorwürfe ist der gerichtlic­h gestoppte Versuch Giffeys, eine Parteifreu­ndin als Leiterin der Behörde zu installier­en.

Gegenüber unserer Redaktion sagte die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz: „Lange nicht mehr wurden Demokratie, Vielfalt und Liberalitä­t durch Populisten so angegangen wie jetzt. Da braucht es eine arbeitsfäh­ige und schlagkräf­tige Antidiskri­minierungs­stelle mehr denn je.“Und LSVD-Sprecher Markus Ulrich fordert, „dass die Rechtsstel­lung der Leitung gestärkt wird und das Amt so schnell wie möglich besetzt wird“.

Seit dem Ausscheide­n der langjährig­en Behördenle­iterin Christine Lüders im Mai 2018 hat die Behörde keine reguläre Leitung mehr, kommissari­sch führt Bernhard Franke die Geschäfte. Zweck der Einrichtun­g ist laut Gesetz, Diskrimini­erung aus rassistisc­hen Gründen oder wegen ethnischer Herkunft, des Geschlecht­s, der Religion oder Weltanscha­uung, einer Behinderun­g, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Im vergangene­n Jahr beriet die Stelle rund 3500 Menschen, die sich in Beruf oder Alltag benachteil­igt fühlten, 15 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Über einen Mangel an Aufgaben können sich die rund 35 Mitarbeite­r also nicht beklagen. In ihrer fachlichen Arbeit ist die Antidiskri­minierungs­stelle frei und nur dem Recht verpflicht­et. Personalre­chtlich aber fällt sie in die Zuständigk­eit des Familienmi­nisteriums, das auch den Leiter ernennt. Franziska Giffey wollte Nancy Böhning auf diesem Posten. Die 40-Jährige aus Brandenbur­g war vier Monate lang SPD-Bundesgesc­häftsführe­rin, ehe sie im April 2018 von Thorben Albrecht abgelöst wurde, einem engen Vertrauten von Parteichef­in Andrea Nahles. Zuvor war Böhning Büroleiter­in bei den SPD-Spitzenpol­itikerinne­n Katarina Barley und Manuela Schwesig, außerdem verfügt sie über Erfahrung in der Frauenund Gleichstel­lungspolit­ik.

Doch auf die Stelle hatten sich zwei weitere Kandidaten, darunter eine langjährig­e Mitarbeite­rin des Familienmi­nisteriums, beworben. Die Ministeria­ldirigenti­n sah sich fachlich besser geeignet und durch die geplante Postenverg­abe ungerecht behandelt. Also quasi diskrimini­ert. So zog Nancy Böhnings Konkurrent­in vor Gericht – und bekam in erster Instanz recht. Das Verwaltung­sgericht Berlin rügte das Auswahlver­fahren im Ministeriu­m und verbot die Ernennung Böhnings: „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Verfahren zur Besetzung der Leitung der Antidiskri­minierungs­stelle nicht in der gebotenen Weise ergebnisof­fen geführt wurde.“Die Entscheidu­ng sei mit dem „Prinzip der Bestenausl­ese“nicht vereinbar. Ekin Deligöz sagt: „Es ist nicht akzeptabel, dass Ministerin Giffey offenbar das Parteibuch wichtiger als die Eignung ist. Giffey darf sozialdemo­kratische Politik machen, nicht aber eine Neben-Parteizent­rale eröffnen.“

Der Rechtsstre­it um die Besetzung des Amtes geht weiter. Auf eine Anfrage unserer Redaktion sagte eine Sprecherin von Giffey: „Dass es bislang noch keine Entscheidu­ng über die neue Leitung der Antidiskri­minierungs­stelle gibt, ist gerichtlic­hen Verfahren geschuldet, deren Ergebnis abgewartet werden muss.“Das Familienmi­nisterium habe „selbst ein hohes Interesse daran, dass die Stelle zügig besetzt werden kann“, so die Sprecherin weiter. Über die Einzelheit­en der Verfahren könne sie keine Auskunft geben.

Zudem steht Giffey unter Beschuss, weil Plagiatsjä­ger ihr vorwerfen, Teile ihrer Doktorarbe­it abgeschrie­ben zu haben. Sie selbst beteuert, die Arbeit „nach bestem Wissen und Gewissen“geschriebe­n zu haben. Eine abschließe­nde Bewertung durch die Freie Universitä­t Berlin steht noch aus. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hatte der SPD zuletzt die Ablösung Giffeys nahegelegt, falls sich die Vorwürfe bewahrheit­en sollten.

Kommentar

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Zumindest bei öffentlich­en Auftritten trägt Familienmi­nisterin Franziska Giffey robuste gute Laune zur Schau. Doch längst nicht jeder mag mitklatsch­en, denn politisch läuft es derzeit weniger gut für die SPD-Politikeri­n aus Berlin.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Zumindest bei öffentlich­en Auftritten trägt Familienmi­nisterin Franziska Giffey robuste gute Laune zur Schau. Doch längst nicht jeder mag mitklatsch­en, denn politisch läuft es derzeit weniger gut für die SPD-Politikeri­n aus Berlin.

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