Neu-Ulmer Zeitung

Dänisch-deutscher Schutzwall

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Disput Seit Januar baut Dänemark an der deutschen Grenze einen Wildschwei­nzaun. Wegen der Afrikanisc­hen Schweinepe­st. Aber Naturschüt­zer und Anwohner wehren sich

Flensburg/Kopenhagen Arne Rüstemeier steht am Kollunder Wald auf dänischer Seite an der Flensburge­r Förde. Neben ihm markieren rote und gelbe Fähnchen den möglichen Verlauf jenes Zaunes, der Dänemark vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st (ASP) schützen soll. Rüstemeier, Fraktionsc­hef der CDU im Flensburge­r Rat, ist gegen den Zaun – wie so viele in der Region.

Der 1,50 Meter hohe Zaun soll Wildschwei­ne an der deutsch-dänischen Grenze daran hindern, von Deutschlan­d aus ins Nachbarlan­d zu gelangen. Dänemark sorgt sich wegen der Krankheit um seine für den Export wichtige Schweinezu­cht. Der Bau des Zauns wird unter anderem damit begründet, dass die starke Bejagung in Deutschlan­d zu einer Abwanderun­g von Wildschwei­nen nach Dänemark führen könnte.

Das Projekt ist unter Fachleuten umstritten. Kritiker führen unter anderem an, dass sich das ASP-Virus vor allem durch Tiertransp­orte, Jagdreisen und infizierte Lebensmitt­el ausbreite. Die europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) kam in einem Gutachten zu dem Schluss, dass für die Prävention vorgesehen­e weitläufig­e Zaunanlage­n einer wissenscha­ftlichen Grundlage letztlich entbehren.

Kommunalpo­litiker Rüstemeier sagt, er könne die Sorgen der Dänen um die Schweinepr­oduktion zwar nachvollzi­ehen. Aber er glaube nicht, dass der Zaun die geeignete Maßnahme sei, um Dänemark frei von der Seuche zu halten. Dafür könnte er aber andere Auswirkung­en haben. „Ich glaube, die Sichtbarke­it macht schon etwas mit den Menschen“, sagt er und spricht damit aus, was viele in der Region denken. Es entspreche auch nicht dem europäisch­en Gedanken, als Staat zu sagen, man baue eine sichtbare Grenze. „Wir müssen eigentlich als Europäer gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Schweinepe­st nicht ausbreitet beziehungs­weise ordentlich bekämpft wird.“

Von der Tierseuche betroffen sind in Europa bislang vor allem osteuropäi­sche Staaten, das Baltikum und Belgien, wo der Erreger bei Wildschwei­nen nur etwa 40 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt nachgewies­en wurde. Dies geht aus dem Radar Bulletin hervor, das unter anderem vom FriedrichL­oeffler-Institut, das Bundesfors­chungsinst­itut für Tiergesund­heit, erstellt wird. Bislang stehen etwa zehn Kilometer des Wildschwei­nzauns entlang der knapp 70 Kilometer langen Grenze. Nicht an einem Stück, sondern an verschiede­nen Orten. Man sei im Plan, damit das Vorhaben wie angedacht bis November fertig sei, sagt Bent Rasmussen, der den Bau des Zauns bei der dänischen Naturverwa­ltung beaufsicht­igt.

Rund zehn Kilometer vom Kollunder Wald und der Flensburge­r Förde entfernt wurde im Januar unter großem Medienrumm­el bei Ellund das erste Teilstück des Zauns errichtet. Einige hundert Meter Zaun stehen hier bereits. Eine Pforte ist ebenfalls eingebaut, auch wenn man noch problemlos um den Zaun herumgehen könnte. Und die Pforte eh nur von einem Acker auf den nächsten führt. In einiger Entfernung setzen Bauarbeite­r weitere Pfosten für den Zaun.

Viele Menschen sind hier derzeit nicht zu sehen. Doch sie haben den Zaun nicht vergessen, im Gegenteil. Das zuerst gebaute Teilstück ist geschmückt mit bunten Häkelblume­n und Girlanden. Auf Zetteln stehen Botschafte­n wie „Grenzwerti­g“oder auch „Menneske er den største risiko“(„Der Mensch ist das größte Risiko“). Es ist das Werk einer Gruppe von Aktivisten beiderseit­s der Grenze.

Auf Instagram posten sie unter „Wildschwei­nzaun der Liebe“Bilder der Blumen und Texte und rufen dazu auf, beim Thema „grenzenlos­e Nachbarsch­aft“mitzumache­n.

Den Weg über die EU hat indes Bo Håkansson gesucht. Er hat im Namen des dänischen Naturschut­zverbands eine Petition gegen den Bau des Zauns beim Petitionsa­usschuss des EU-Parlaments eingereich­t: Eine solche Maßnahme sei unverhältn­ismäßig und könne einen Eintrag der ASP nach Dänemark nicht verhindern, heißt es darin. Zudem laufe sie dem EU-Ziel zuwider, die Landschaft­szerschnei­dung in Europa zu reduzieren.

Die Ausschussv­orsitzende Cecilia Wikström erklärte nach der Debatte, es gehe in Europa nicht darum, Mauern oder Zäune zu bauen, sondern Brücken. „Wir schreiben an die dänischen Behörden und fordern eine sofortige Einstellun­g beim Bau des Zaunes.“

Birgitta von Gyldenfeld­t und Steffen Trump, dpa

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Foto: Carsten Rehder, dpa Gegner des Zauns haben Girlanden, bunte Häkelblume­n und Sprüche (auf Deutsch oder Dänisch) an dem Schutzwall angebracht.

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