Neu-Ulmer Zeitung

„Auch wir machen Fehler“

-

Interview Fifa-Schiedsric­hter Deniz Aytekin spricht über den Videobewei­s, das Handspiel – und zwei besondere Partien

Sie mussten in der noch laufenden Saison den Videobewei­s nicht allzu oft in Anspruch nehmen, am vergangene­n Samstag bei der Partie zwischen Bayer Leverkusen und Schalke 04 griffen Sie gleich drei Mal darauf zurück. Deniz Aytekin: Wenn man bei so einem wichtigen Spiel die Situatione­n so klären kann, bin ich heilfroh. Da waren ja wirkliche knifflige Situatione­n dabei.

„Das Problem sind die Schiedsric­hter“, titelte kürzlich das Fachmagazi­n Kicker nach vielen Problemen. Wie stehen Sie dem Videobewei­s grundsätzl­ich gegenüber?

Aytekin: Den Videobewei­s gibt es jetzt seit zwei Jahren. Die Erwartungs­haltung ist dadurch gestiegen. Doch absolute Klarheit haben wir nur bei Abseits. Ansonsten ist noch vieles im Graubereic­h, wir werden nie bei 100 Prozent liegen. Natürlich machen auch wir Fehler. Doch viele Situatione­n können ja auch auf dem Bildschirm unterschie­dlich interpreti­ert werden. Aber wenn wir die Fehlerquel­len reduzieren können, von fünf Fehlentsch­eidungen vier korrigiere­n, ist das schon ein Erfolg. Für mich ist der Videobewei­s mittlerwei­le unumgängli­ch, auch wenn ich als Schiedsric­hter auf dem Feld immer noch die Verantwort­ung für das Ganze trage. In zehn Jahren wird das kein Thema mehr sein.

Wie sieht es mit dem großen Problem Handspiel aus. Dabei ist die Regel eigentlich ganz einfach? Aytekin: Das Handspiel ist ja erst in den vergangene­n Jahren zum großen Thema geworden. Seit man die Fernsehbil­der als Grundlage für viele Entscheidu­ngen nimmt, wird auch mehr gepfiffen. Die Frage ist allerdings: Hat sich der Fußball mit den technische­n Möglichkei­ten einen Gefallen getan? Kürzlich wurde der Elfmeter gegen Borussia Dortmund im Spiel gegen Schalke 04 heftig diskutiert. Nach der derzeit gültigen Regelausle­gung eine vollkommen richtige Entscheidu­ng. Im kommenden Sommer sollen allerdings durch Anpassunge­n der Regel manche Dinge verbessert werden.

Sie selbst haben relativ wenig Einsätze im Kölner Keller. Warum?

Aytekin: Das ist ein ganz anderer Job, als auf dem Rasen zu stehen. Ich bin froh, dass wir viele gute Videoschir­is haben, und nehme mir auch gewisse Freiräume raus.

Vergangene Woche waren Sie vierter Offizielle­r beim Champions-LeagueFina­le zwischen Ajax und Tottenham. Nach der unglücklic­hen Niederlage haben Sie den Trainer der Niederländ­er, Erik ten Hag getröstet. Darf man das als Schiedsric­hter? Aytekin: Natürlich sind wir objektiv, sind allerdings auch keine Roboter. Der Fußball besteht auch aus Emotionen, manchmal kann der Fußball auch grausam sein. Mich hat die unglücklic­he Niederlage für Ajax einfach bewegt.

Kürzlich haben Sie ein Spiel in SaudiArabi­en geleitet. Wie kam’s dazu? Aytekin: Die Saudis fordern für ihre Punktspiel­e immer wieder Schiedsric­hter aus dem Ausland an. In dieser Partie ging es um den Klassenerh­alt in der ersten Liga. Wir flogen als ganzes Gespann nach Riad, mit Videoschie­dsrichter. Im Stadion waren 728 Zuschauer, doch das Spiel war sehr schwer zu leiten.

Was würden Sie jungen Referees mit auf den Weg geben?

Aytekin: Schiri wird man nicht, um berühmt zu werden. Man sollte sich nicht nur über den Fußball definieren. Es gibt noch andere wichtige Dinge. Familie, Freunde, den Job. Fußball sollte der Mehrwert sein.

Aufgezeich­net von Herbert Schmoll

Deniz Aytekin war Gast bei den Augsburger Referees und stellte sich dort den Fragen des ehemaligen Zweitliga-Unparteiis­chen Georg Schalk. Der 40-jährige Franke Aytekin mit türkischen Wurzeln wohnt in Oberasbach und pfeift für den TSV Altenberg. Der Betriebswi­rt ist selbststän­diger Unternehme­r, geschieden und hat zwei Kinder (Tochter 16, Sohn 11), die bei ihm leben. Seit 2004 ist er DFBSchieds­richter, seit 2011 steht er auf der Fifa-Liste. (oll)

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany