Neu-Ulmer Zeitung

Was nach einem Unfall zu tun ist

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Ratgeber Von Polizei bis Schmerzens­geld: Diese Checkliste hilft Autofahrer­n, wenn es gekracht hat

Auf Deutschlan­ds Straßen sind immer mehr Autos unterwegs und immer öfter kracht es auch. Statistisc­h gesehen nimmt die Polizei alle zwölf Sekunden einen Verkehrsun­fall auf. Allerdings geben die Zahlen keine Auskunft darüber, in wie vielen Fällen die Polizei gar nicht hätte ausrücken müssen. Denn wirklich notwendig ist die Präsenz der Ordnungshü­ter längst nicht immer.

„Wenn niemand verletzt wurde und der Schaden überschaub­ar ist, benötigt man in der Regel keine Polizei“, sagt Mathias Zunk vom Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV). Wenn hingegen ganz offensicht­lich Alkohol oder Drogen im Spiel seien, es Verletzte gebe oder der Unfallherg­ang streitig ist, sollte die 110 angerufen werden.

Zu den größten Fehlern, die Unfallbete­iligte beim Absetzen des Notrufs machen, zählt das unfreiwill­ige Unterschla­gen wichtiger Informatio­nen, sagt Gerrit Reichel vom Automobil-Club Verkehr (ACV). „Zunächst sollten Unfallbete­iligte der Notrufzent­rale den genauen Unfallort und die Anzahl der beteiligte­n Personen mitteilen und dann Informatio­nen darüber, ob jemand verletzt ist.“

Ist die Sache eindeutig, muss die Fahrbahn möglichst schnell geräumt werden, damit der Verkehr fließen kann. „Bei Bagatellun­fällen gibt es keinen Grund, die Straße zu blockieren, bis die Polizei eintrifft. Wer sich daran nicht hält, muss sogar mit einer Geldbuße rechnen“, sagt Tobias Goldkamp, Fachanwalt für Verkehrsre­cht aus Neuss.

Zuvor jedoch gilt es, Fotos zu machen, die den Unfall gut aus verschiede­nen Perspektiv­en dokumentie­ren. Hilfreich dabei laut Zunk: die Positionen der Fahrzeuge durch Kreide zu umreißen, bevor sie weggefahre­n werden. „Das erleichter­t möglicherw­eise die anschließe­nde Erstellung des Unfallprot­okolls.“

Zu diesem Protokoll gehören die Kennzeiche­n der beteiligte­n Fahrzeuge sowie die Namen und Adressen der Fahrzeugfü­hrer. Am besten eigne sich dafür der europäisch­e Unfallberi­cht, der bei nahezu allen Versicheru­ngen und Automobilk­lubs erhältlich ist und herunterge­laden werden könne, so Zunk. Auch eine Unfallskiz­ze und die Schilderun­g des Unfallherg­angs sollten notiert werden.

Was hingegen nicht ins Protokoll gehört, ist das Schuldeing­eständnis eines der Unfallbete­iligten. „Wer am Ende für welchen Schaden aufkommt, hängt nicht nur vom Sachverhal­t, also vom Unfallherg­ang ab, sondern auch von seiner rechtliche­n Bewertung“, erklärt Goldkamp. Manchmal stelle sich im Nachhinein durch ein Gutachten heraus, dass der Unfall sich anders ereignet hat, als die Beteiligte­n es in dem Moment wahrnahmen. Auch die Versicheru­ngsdaten seien nicht entscheide­nd für den Unfallberi­cht, da diese auch später über das Kennzeiche­n ermittelt werden könnten.

Wichtige Unfalldeta­ils wie Beschädigu­ngen oder die Endpositio­nen der Fahrzeuge hingegen ließen sich im Nachhinein nicht mehr ohne Weiteres nachvollzi­ehen, so der Jurist. Wenn möglich, sollten auch Zeugen für den Unfallherg­ang benannt werden. Das helfe, den Unfallherg­ang besser zu rekonstrui­eren. Allerdings sei auch das im Nachgang oft schwierig, so Goldkamp. „Deshalb ist es wichtig, Zeugen möglichst vor Ort anzusprech­en und die Schadensre­gulierung zügig voranzutre­iben.“

Welche Versicheru­ng für welchen Schaden aufkommt, ist bei einem unstrittig­en Unfallerei­gnis eindeutig: „Die Kfz-Haftpflich­tversicher­ung des Unfallveru­rsachers übernimmt den Schaden des Unfallgegn­ers. Die Vollkaskov­ersicherun­g übernimmt die Kosten für die Reparature­n am eigenen Auto“, erklärt Zunk. Erstattet werden jeweils die Reparaturk­osten, bei Totalschad­en der Wiederbesc­haffungswe­rt abzüglich des Restwerts.

Die Frage, wer einen Gutachter zur Bewertung des Unfallscha­dens bestellt, hängt von der Schuldfrag­e ab. „Wer selbst den Unfall verursacht hat und kaskoversi­chert ist, bekommt von seiner Versicheru­ng einen Gutachter oder eine bestimmte Werkstatt für die Bewertung und Reparatur des Schadens benannt“, erklärt Bernd Grüninger von der Dekra.

Wer selbst Geschädigt­er ist, habe grundsätzl­ich Anspruch auf den Gutachter seiner Wahl. Das von einem Sachverstä­ndigen erstellte Schadengut­achten dient als Grundlage für die Regulierun­g des Schadens. Ist von einer „fiktiven Abrechnung“die Rede, entscheide­t sich der Geschädigt­e dazu, sich die voraussich­tlichen Reparaturk­osten auf Basis des Gutachtens ausbezahle­n zu lassen, erklärt der Dekra-Experte. Im Anschluss kann der Geschädigt­e dann selbst darüber entscheide­n, ob, wo und in welchem Umfang er den Schaden wirklich reparieren lassen möchte.

Wer bei einem Unfall verletzt wird, kann von der gegnerisch­en Haftpflich­tversicher­ung auch ein Schmerzens­geld einfordern. „Bei einem Halswirbel­schleudert­rauma, also dem klassische­n steifen Nacken, liegt dies je nach Ausprägung zwischen 250 und 1000 Euro“, sagt Goldkamp. Denn anders als in den USA diene das Schmerzens­geld in Deutschlan­d nicht dazu, den Schädiger zu bestrafen.

Claudius Lüder, dpa

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Foto: Benjamin Nolte, dpa Helfer holen: Sobald auch nur der Verdacht auf eine Verletzung besteht, sollten Unfallbete­iligte unbedingt den Notruf wählen. Bei offensicht­lichen Bagatellsc­häden kann man dagegen auf die Polizei verzichten.

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