Mann zapft für seine Kinder Strom ab
Justiz Damit die Familie warmes Essen bekommt, denkt sich ein 45-Jähriger eine riskante Lösung aus – und steht vor Gericht
Neu-Ulm/Vöhringen Woher den Strom nehmen, wenn er einem abgeschaltet wurde? Ganz einfach, dachte sich ein 45-Jähriger aus Vöhringen: Er bohrte ein Loch in die Decke seiner Küche im zweiten Geschoss, steckte ein Kabel zum Dachboden durch und zapfte dort aus einer Gemeinschaftssteckdose Strom ab. Der 45-Jährige musste sich nun vor dem Amtsgericht Neu-Ulm wegen Entziehung elektrischer Energie verantworten.
Den Diebstahl soll er laut Anklage zwischen März – nachdem ihm der Strom wegen unbezahlter Rechnungen abgestellt wurde – und Oktober 2018 begangen haben. Dadurch sind laut Anklageschrift rund 3500 Kilowattstunden Strom für einen Gesamtwert von rund 1100 Euro zusammengekommen.
Vor Richter Thomas Mayer zeigte sich der Mann, der ohne Rechtsbeistand kam, sofort geständig. Es sei alles so gewesen, wie in der Anklage dargestellt – mit einer Ausnahme: „Ich habe erst seit September Strom abgezapft, ich wusste, es ist falsch, habe es aber trotzdem gemacht.“Er habe jedoch nur eine einzelne Kochplatte angeschlossen, damit seine Frau etwas für die Familie mit den vier Kindern kochen konnte – „und ab und zu den Fernseher, damit die Kleinen eine Kindersendung schauen konnten“. Seine Frau habe skeptisch nachgefragt und er ihr eine erfundene Erklärung aufgetischt. Auch aus Angst vor einem möglichen Kurzschluss habe er nicht mehr Geräte angeschlossen.
In der Zeit ohne Stromzufuhr zwischen März und September konnte die Familie bei einem Kollegen kochen und waschen. „Wir haben aber meistens kalte Brotzeit gegessen und Kerzenlicht genutzt“, erzählt der 45-Jährige vor Gericht. Duschen konnten sie auch bei Kollegen, zudem seien sie dazu ins Freibad gegangen. Zurzeit lebt die Familie mit finanzieller Unterstützung und hat wieder Strom.
Die vom Angeklagten angegebenen fünf Wochen seien nicht ausreichend, um 3500 Kilowattstunden Strom zu verbrauchen, so Richter Mayer. Es gebe auch keinen Grund, an den Angaben des Mannes zu zweifeln, deswegen sei zumindest nicht auszuschließen, dass der Strom insgesamt einen geringen Wert hatte – und nicht zu beweisen, dass der Diebstahl länger als fünf Wochen ging. Dadurch kam der Mann noch einmal glimpflich weg.
Der Staatsanwalt forderte für den 45-Jährigen eine viermonatige Gefängnisstrafe, da er bereits Vorstrafen hat. Richter Mayer sprach den Angeklagten am Ende schuldig und blieb bei den vier Monaten – allerdings auf Bewährung. Der Mann sei geständig gewesen und habe sich auch durch die vier Kinder in einer Notlage befunden, so der Richter. „Sie kommen aber in den Bereich, dass Sie bald ins Gefängnis müssen“, mahnte der Richter. Zudem hätte ein Kurzschluss sehr gefährlich werden können. „So geht es nicht weiter.“Der 45-Jährige will sich nun einen Job suchen und baldmöglichst mit seiner Familie wieder in eine eigene Wohnung ziehen, so sagte er es vor dem Amtsgericht. Das Urteil ist rechtskräftig.