Mörder von Suppingen muss lebenslang in Haft
Prozess Der 40-Jährige hat früh gestanden, dass er seine Frau erstochen hat. Doch die Richter erkennen falsche Fährten – und zeichnen nach, was wirklich geschehen ist
Ulm Im Mordfall von Suppingen hat die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Ulm am Freitagnachmittag am sechsten Verhandlungstag das Urteil gesprochen. Ein 40-jähriger Russlanddeutscher ist wegen Mordes an seiner 30-jährigen Frau zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Damit folgte das Gericht nach einer intensiven Beweisaufnahme dem Antrag der Staatsanwältin. Ihrem zusätzlichen Antrag, eine besondere Schwere der Schuld festzustellen, folgte das Gericht allerdings nicht. Auch nicht dem Antrag des Verteidigers, der für eine Verurteilung wegen Totschlags zu maximal zehneinhalb Jahre plädierte. Schließlich, so der Verteidiger, habe sein Mandant aus schierer Verzweiflung im Affekt gehandelt. Ausgelöst habe die Tat die eingereichte Scheidung, von der sein Mandant kurz vor der Entlassung aus dem Gefängnis wie aus heiterem Himmel erfahren habe. In Haft saß der heute 40 Jahre alte Mann dort wegen Körperverletzung und Beleidigung.
Nachdem der Angeklagte bei den polizeilichen Verhören monatelang geschwiegen und sich auch gegenüber den Gutachtern nur wortkarg geäußert hatte, begann schon der erste Prozesstag im Juni mit einem Paukenschlag. In einem Schreiben, das der Verteidiger im Schwurgerichtssaal vorlas, gab der 40-Jährige zu, seine Frau erstochen zu haben.
Die Schilderungen der näheren Umstände der Tat ergaben jedoch bei der Beweisaufnahme ein anderes Bild: „Er legte uns da falsche Spuren“, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Sämtliche dieser falschen Spuren konnten widerlegt werden. Das Gericht zeichnete ein anderes Bild als der Verteidiger.
Der Angeklagte, so die Richter, habe nur seine drei Kinder, aber nicht seine Frau geliebt. Er habe sie über Jahre hinweg wie ein Objekt behandelt. Als er 2018 wieder einmal im Gefängnis saß, habe die Frau die Gelegenheit genutzt, um sich endgültig von dem schwer alkoholsüchtigen Mann zu trennen. Daraufhin habe dieser im Gefängnis immer wieder Todesdrohungen gegen die Frau ausgesprochen.
Ein behandelnder Arzt aus der Suchtbehandlung berichtete im Zeugenstand: „Das musste man sehr ernst nehmen.“Nach der Haftentlassung verhielt sich der Angeklagte sehr beherrscht. Er zog zu seiner Mutter in einen Nachbarort von Laichingen und ersuchte trotz Kontaktverbots immer wieder um Gespräche mit seiner baldigen ExFrau, um einige Dinge zu regeln. Es ging um Geld und seine geliebten Kinder, wobei die Gespräche offensichtlich immer eskalierten.
Der Mord sei von langer Hand geplant gewesen, hob der Vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung hervor und wies auf die exakten Planungen des Mannes hin. Seine Kinder sollten in die Tat nicht involviert werden. Deshalb wartete der 40-Jährige einen Tag ab, an dem diese bei den Großeltern übernachteten: Den 2. November 2018. Der Mörder wusste etwa, wann seine Frau am frühen Abend heimkam, sie war allein im Haus. Der Mann musste ein Handicap mit einplanen. Denn er hatte aus einer Suchtklinik flüchten wollen, indem er aus dem Fenster sprang. Der Mann, der flaschenweise Wodka trank und auch morphinartige Opioide nahm, erlitt dabei einen Fersenbruch. Fortan muss er im Rollstuhl sitzen und sich auf Krücken bewegen.
Deswegen ließ er sich am Spätnachmittag des 2. November von einer Schwester nach Laichingen fahren. Von dort nahm er den Bus nach Suppingen, wo er genug Zeit hatte, den Mord vorzubereiten. Zunächst wartete er in einem Stadel auf den richtigen Zeitpunkt, in ein Kellerfenster einzubrechen. Im Haus wartet er dann auf seine Frau, die gegen 19 Uhr die Wohnung betrat. Es war ein kalter Abend. Die Frau wickelte sich eine Decke um den Oberkörper und ging zur Toilette. Da schlug der Killer zu: Er öffnete die Tür und stach auf die überraschte Frau ein, die in dem engen Raum keine Chance zur Gegenwehr hatte. Sie sank, immer noch mit der blutenden Decke umhüllt, zu Boden und starb.
Der Täter verließ das Haus, eine Überwachungskamera filmte ihn, wie er sich im Rollstuhl in Richtung Laichingen querfeldein bewegte. Kurz vor Mitternacht traf er im Laichinger Zentrum ein. Als sei nichts geschehen, bat er zwei Jugendliche, in der nächsten Kneipe zwei Flaschen Bier für ihn zu holen, was diese taten: „So ein netter Mann im Rollstuhl“, sagen sie im Zeugenstand bei der Beweisaufnahme aus. Der Täter bezahlte das Bier und gab Trinkgeld, bevor er verschwand. Zielort: Die Wohnung der Mutter, wo er später festgenommen wurde.
Bluttat war detailliert und von langer Hand geplant