Neu-Ulmer Zeitung

Warum der Wanderzirk­us nicht endet

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Titel-Thema Ist das Pendeln zwischen Bonn und Berlin in Zeiten des Klimawande­ls noch zeitgemäß?

Bonn 20 Jahre ist es her, dass der Bundestag von Bonn nach Berlin umzog. Fünf Jahre vorher, im Frühjahr 1994, wurde das sogenannte Bonn-Berlin-Gesetz verabschie­det. Seither ist die deutsche Politik ein Pendelbetr­ieb.

Was regelt das Bonn-Berlin-Gesetz?

Das im Jahr 1994 vom Bundestag verabschie­dete Gesetz regelt die Aufteilung der Ministerie­n. Es sieht vor, dass „der größte Teil der Arbeitsplä­tze der Bundesmini­sterien in der Bundesstad­t Bonn erhalten bleibt“. Das ist allerdings schon seit 2008 nicht mehr der Fall. Heute befinden sich noch etwa ein Drittel der Arbeitsplä­tze in Bonn. Sechs von 14 Ministerie­n haben dort noch ihren ersten Dienstsitz, die anderen sind mit einem Zweitsitz am Rhein präsent.

Welche Ministerie­n befinden sich überhaupt noch in Bonn?

Die Ministerie­n für Bildung und Forschung, Gesundheit, Landwirtsc­haft, Umwelt, Verteidigu­ng sowie Entwicklun­g haben weiterhin ihren Hauptsitz in Bonn. Das heißt allerdings nicht, dass auch alle Mitarbeite­r dieser Ressorts am Rhein arbeiten. Im Verteidigu­ngs- und Umweltmini­sterium sind längst die Hälfte aller Bedienstet­en in Berlin, das Justizmini­sterium hat noch „2,9 Stellen“in Bonn.

Werden die Ministerie­n nicht doch eines Tages komplett nach Berlin verlegt?

Eine Mehrheit von 55 Prozent der Deutschen wünscht sich in einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov den kompletten Umzug der Bundesmini­sterien vom Rhein an die Spree. Nur 27 Prozent sind dagegen, der Rest enthielt sich. Die Debatte über den Komplettum­zug kommt praktisch jedes Jahr in Gang. Nach der Sommerpaus­e wollen deshalb Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und die Region Bonn mit dem Bund eine Zusatzvere­inbarung zum Berlin/Bonn-Gesetz aushandeln, die bis Ende des Jahres stehen soll. Bonn und die angrenzend­en Kreise Rhein-Sieg, Ahrweiler und Neuwied haben ein „Leitbild“verabschie­det, mit dem sie in die Verhandlun­gen gehen wollen. Darin fordern sie, die in Bonn angesiedel­ten Ministerie­n mit ihren Arbeitsplä­tzen zu sichern und Bonn als zweites bundespoli­tisches Zentrum zu stärken. So solle seine Bedeutung als UN-Standort und Kompetenzz­entrum für Cyber-Sicherheit ausgebaut werden.

Wird nicht zumindest in der Debatte um den Klimawande­l der Pendelverk­ehr zwischen Bonn und Berlin infrage gestellt?

Jährlich pendeln mehr als 30 000 Beamte zwischen den beiden Städten. Allein die Mitarbeite­r des Ressorts für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g flogen im vergangene­n Jahr dem Bericht zufolge 4490 Mal die Strecke zwischen Bonn und Berlin. Mehrere Bundespoli­tiker meldeten sich zuletzt zu Wort und argumentie­rten, bei einer Zusammenle­gung der Standorte könnten hunderttau­sende Dienstreis­en vermieden werden. „Bonn hat die Umstellung erstaunlic­h gut gemeistert. Angesichts der klimaschäd­lichen Wirkung des Fliegens, aber auch aus Gründen der Effizienz, ist es Zeit für den nächsten Schritt – nämlich die Zusammenle­gung aller Ministerie­n in Berlin“, sagte beispielsw­eise der Vorsitzend­e des Verkehrsau­sschusses im Bundestag, Cem Özdemir (Grüne). (huf, dpa)

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Fotos: Andreas Altwein, dpa Mit großem Gepäck zog der Bundestag vor 20 Jahren vom Rhein an die Spree. Im Hintergrun­d mit Hammer in der Hand: Peter Struck (SPD).
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Minister Franz Münteferin­g packte im Sommer 1999 persönlich an.

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