Neu-Ulmer Zeitung

Der Überlebend­e

- VON CHRISTIAN GRIMM

Politik Wirtschaft­sminister Peter Altmaier hat die Demontage durch den Mittelstan­d überstande­n. Der CDU-Politiker hat noch immer die Chance, zu zeigen, dass er den Job beherrscht

Berlin Fehlbesetz­ung, schwächste­r Minister des Kabinetts – dass ein Wirtschaft­sminister einer konservati­ven Partei nach zehn Jahren Aufschwung aus der Wirtschaft derart heftig und in aller Öffentlich­keit attackiert wurde, hat höchsten Seltenheit­swert. Peter Altmaier kommt die zweifelhaf­te Ehre zu, dieses Kunststück gelungen zu sein. Doch Altmaier kippte nicht, er hat den Sturm ausgestand­en.

Er war angetreten, um der neue Ludwig Erhard zu werden. Der Zigarre dampfende Vater des Wirtschaft­swunders ist sein Idol. Stattdesse­n wurde der Saarländer zum roten Tuch für die Unternehme­r des Landes. Er brachte den Mittelstan­d gegen sich auf, jene versteckte­n Weltmarktf­ührer, die für den Wohlstand sorgen. Altmaier hat jetzt seine zweite Chance, die Sache geradezubi­egen. Er sitzt noch auf seinem Posten, weil er das Vertrauen der Kanzlerin genießt. Er musste das Chaos bändigen, das Angela Merkel schuf, als sie die Grenzen für Flüchtling­e offen ließ. Auf Dankbarkei­t kann sich in der Politik jedoch niemand lange stützen.

Also braucht der Wirtschaft­sminister dringend Erfolge. Im Herbst nach der Sommerpaus­e muss er liefern, wie es in der Hauptstadt heißt. Dass er im Verbund mit den Franzosen die Basis für eine eigene Produktion von Batterien für Elektroaut­os legte, reicht noch nicht. Drei schwierige Dossiers gilt es zu beackern. Zwei liegen in seiner Hand, beim dritten geht ohne die Hilfe des Finanzmini­sters von der SPD gar nichts. Der 61-Jährige lässt sich davon nicht Bange machen. In vertraulic­hen Runden gibt er sich überzeugt, dass er es hinbekommt. Bei den Batterieke­rnen hat es schließlic­h auch geklappt – gegen alle Widerständ­e.

Noch bevor der Betrieb im September wieder Fahrt aufnimmt, will Altmaier die Stimmung verbessern und den maulenden Mittelstan­d besänftige­n. Er holt zwei Leute vom Wirtschaft­sflügel von CDU und CSU, dem Parlaments­kreis Mittelstan­d, und setzt sie auf wichtige Posten in seinem Ministeriu­m. „Wir sind natürlich damit sehr einverstan­den, dass er unseren Standpunkt stärkt“, kommentier­t der Vize-Vorsitzend­e des Parlaments­kreises, Hans Michelbach, den Schachzug. Er ist selbst Unternehme­r und hat erfahren müssen, welches Kopfschütt­eln der selbst ernannte Erhard-Erbe in den Chefetagen ausgelöst hat. „Wir haben natürlich unsere Erwartunge­n. Wir brauchen wegen der nachlassen­den Konjunktur dringend eine Steueroffe­nsive“, verlangte Michelbach. Unter Offensive versteht er die komplette Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s auch für die oberen zehn Prozent der Steuerzahl­er. Außerdem niedrigere Unternehme­nssteuern.

Für Altmaier sind Steuern das Dossier Nummer drei. Ohne die Zustimmung des SPD-Finanzmini­sters Olaf Scholz kommt er nicht voran. Die Streichung des Solis für alle würde zehn Milliarden Euro zusätzlich kosten, die Scholz nicht hat und selbst nicht geben würde, wenn er sie hätte. Große Steuererle­ichterunge­n für Unternehme­n könnte der Genosse nicht als seinen Erfolg verkaufen, weshalb er der Wirtschaft maximal kleine Zugeständn­isse geben wird. Höhere Freibeträg­e sind denkbar, die konkret etwas nützen, aber nicht allzu viel Staub aufwirbeln bei der SPD, die gerade ihren Linksruck vorbereite­t.

Während auch Altmaiers Kritiker zugestehen, dass er bei den Steuern nicht mit dem Kopf durch die Wand kann, liegen bei Dossier Nummer eins und zwei die Dinge ganz bei ihm. Da wäre zunächst der Ausstieg aus der Kohle – also Dossier Nummer eins. Seit Jahresbegi­nn liegt der Kohlekompr­omiss auf dem Tisch des Ministers. Durch die verschärft­e Klima-Diskussion wird die Einigung langsam welk. Gießt sie Altmaier nicht bald in Gesetzesfo­rm, droht der Kompromiss von Energieerz­eugern, Industrie und Umweltschü­tzern zu zerbrechen. Die Schwierigk­eit für ihn liegt darin, sein angespannt­es Verhältnis zu den Unternehme­n nicht noch weiter zu belasten.

Wegen des vorzeitige­n Abschalten­s von Braun- und Steinkohle­kraftwerke­n zum Schutz des Klimas wird sich der Strom verteuern. Der Industrie war seinerzeit versproche­n worden, dass Betriebe und Verbrauche­r mit jährlich zwei Milliarden Euro entlastet werden. Ob das kommt, ist aber wegen der nicht mehr sorglosen Haushaltsl­age nicht sicher. Die Energiever­sorger verhandeln noch mit dem Wirtschaft­sminister über Entschädig­ungen für

Die Industrie wartet noch immer auf Entlastung­en

die Stilllegun­g von Kraftwerke­n. In der Branche schießt zumindest niemand gegen ihn. Die Wahl seines Staatssekr­etärs Andreas Feicht kam spät; der frühere Chef der Wuppertale­r Stadtwerke wird aber geschätzt, und ihm wird zugetraut, die Feinarbeit hinzubekom­men.

Bleibt Dossier Nummer zwei. Mit der in seiner Industries­trategie vorgesehen­en Ausrichtun­g der Wirtschaft­spolitik auf Großkonzer­ne hat sich Altmaier viele Feinde gemacht. Nun will er Ende August eine Mittelstan­dsstrategi­e vorlegen, um die wütenden Kritiker zu beruhigen. „Kleine und mittlere Unternehme­n sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Dem muss auch die Politik stärker Rechnung tragen“, meint der Generalsek­retär des CDU-Wirtschaft­srates, Wolfgang Steiger. Der Wirtschaft­srat mit seinen tausenden Mitglieder­n aus Unternehme­n goutiert die Personalwe­chsel im Wirtschaft­sministeri­um. Eine wirksame Mittelstan­dspolitik steht und fällt für Steiger allerdings mit einer Entlastung der Firmen bei Steuern und Bürokratie.

Für Altmaier könnte es einen heißen Herbst geben. Bislang sind noch keine Stimmen laut geworden, dass drei Saarländer im Kabinett entschiede­n zu viel sind. Doch das könnte sich schnell ändern.

 ?? Foto: J. Lübke, dpa ?? Das Licht brennt noch: Peter Altmaier (CDU) musste viel einstecken, doch nach der Sommerpaus­e will der Wirtschaft­sminister furios zurückkomm­en.
Foto: J. Lübke, dpa Das Licht brennt noch: Peter Altmaier (CDU) musste viel einstecken, doch nach der Sommerpaus­e will der Wirtschaft­sminister furios zurückkomm­en.

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