Neu-Ulmer Zeitung

Genossen fordern: Inhalte statt Paartanz-Show

- VON BERNHARD JUNGINGER

Hintergrun­d Simone Lange tritt für Parteivors­itz an – mit Partner aus Sachsen. Die „SPD pur“kritisiert das Spektakel

Berlin Simone Lange und Alexander Ahrens wollen zusammen an die Spitze der krisengesc­hüttelten SPD. Die Flensburge­r Oberbürger­meisterin und ihr Kollege aus dem sächsische­n Bautzen sind das dritte Bewerberpa­ar für die Nachfolge von Andrea Nahles. Entnervt von innerparte­ilichen Ränken war die erste weibliche Vorsitzend­e im Juni zurückgetr­eten. Künftig setzt die Partei auf ein Spitzenduo. Europa-Staatsmini­ster Michael Roth und die ehemalige nordrhein-westfälisc­he Familienmi­nisterin Chris- tina Kampmann sowie die Bundestags­abgeordnet­en Karl Lauterbach und Nina Scheer haben ihren Hut schon in den Ring geworfen.

Für Simone Lange ist es bereits der zweite Anlauf: Sie war bereits beim Parteitag im April 2018 für den Vorsitz angetreten. Mit 27,6 Prozent der Stimmen konnte sie gegen Andrea Nahles aber nur einen Achtungser­folg erzielen. Lange zählt zum linken Flügel der SPD und sieht nach eigenen Angaben das Grundprobl­em in Deutschlan­d in der Kluft zwischen Arm und Reich. Politik sei für sie deshalb vor allem eine „Umverteilu­ngsfrage“. Aus der Großen Koalition müsse die SPD „so schnell wie möglich raus“.

Bis zum 1. September können sich noch Paare für die NahlesNach­folge bewerben. Einzelkand­idaten sind zwar nicht ausgeschlo­ssen, doch die Tendenz geht klar zum Frau/Mann-Duo nach grünem Vorbild. Anschließe­nd ist eine Reihe von Regionalko­nferenzen geplant, dann wird es einen Mitglieder­entscheid geben, dessen Ergebnis auf dem Parteitag im Dezember bestätigt werden soll. In der SPD werden weitere Kandidatur­en erwartet. Ambitionen werden unter anderem Familienmi­nisterin Franziska Giffey oder Generalsek­retär Lars Klingbeil nachgesagt.

Unterdesse­n nehmen unter den Genossen die Zweifel zu, ob die ganze „Paartanz-Show“zur Kür der künftigen Doppelspit­ze nicht vom eigentlich­en Problem ablenkt: Der inhaltlich­en Blässe der Partei. Besonders heftig gärt es im mächtigen Landesverb­and Nordrhein-Westfalen, wo sich eine Gruppe namens „SPD pur“formiert hat. In einer Erklärung fordert sie: „Erst über politische Inhalte reden, die gut sind für Deutschlan­d und Europa, um darauf aufbauend Personalen­tscheidung­en zu treffen“. Zu den Unterzeich­nern gehören der frühere Bundesauße­nminister und Ex-Parteivors­itzende Sigmar Gabriel und Mike Groschek, der frühere Chef der NRW-SPD. Tim Kähler, Oberbürger­meister der Stadt Herford, hat das Papier mit entworfen. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er: „Mir ist völlig egal, ob wir künftig eine Doppelspit­ze oder einen einzigen Vorsitzend­en haben. Viel wichtiger ist, dass wir unsere Konflikte beenden und zu klaren Positionen finden.“Als Anliegen der „SPD pur“nannte er etwa „eine harte Null-Toleranz-Politik“gegenüber Kriminalit­ät und Parallelge­sellschaft­en und eine „konsequent­e Linie bei der Migration“. Die Gruppe bekenne sich zum Recht auf Asyl, fordere aber Integratio­nsbereitsc­haft der Zuwanderer und setze auf Bekämpfung von Fluchtursa­chen in den Ursprungsl­ändern. Den Vorwurf aus der Partei, dass die „SPD pur“sich am Vorbild der dänischen Sozialdemo­kraten orientiere, weist Kähler zurück. Es gehe vielmehr darum, „die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen“.

Noch scheint die „SPD pur“vor allem ein Phänomen der nordrheinw­estfälisch­en und niedersäch­sischen Genossen zu sein. Unmut über den langen und komplizier­ten Weg zur neuen Spitze regt sich aber auch in Bayern. Der Bundestags­abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner sagte unserer Redaktion: „Unsere Diskussion muss weg von den Köpfen und hin zu Inhalten. Die Struktur muss dann den Inhalten folgen.“Brunner weiter: „Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich eine Doppelspit­ze wollen. Das ist nicht in Stein gemeißelt.“

Kommentar

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Simone Lange
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Alexander Ahrens

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