Neu-Ulmer Zeitung

Rechte Umtriebe bei Daimler

- VON BENJAMIN STAHL

Hintergrun­d Eine radikale Gewerkscha­ft versucht, in dem Unternehme­n Fuß zu fassen. Mittendrin ist ein Mann, der einst den Würzburger Pegida-Ableger angeführt hat

Würzburg Das Stammwerk der Daimler AG in Stuttgart wird von einem massiven Konflikt um NaziPostin­gs und Hass-Botschafte­n erschütter­t. Mittendrin: der Kopf des einstigen Würzburger Pegida-Ablegers Wügida. Wie und das

Report Mainz berichten, hatte Daimler im Jahr 2018 zwei Arbeiter des Werks Untertürkh­eim entlassen, nachdem diese einem türkischst­ämmigen Kollegen und IG-Metall-Vertrauens­mann über Monate Hitler- und Hakenkreuz-Bilder sowie verächtlic­he Bilder über Moslems zugesandt hatten. Auch das Bild, das vor einigen Wochen in Würzburg zur Verurteilu­ng eines ehemaligen Faschingsf­unktionärs geführt hatte, war darunter. Auf der Abbildung ist ein Wehrmachts­soldat zu sehen, der mit einem Maschineng­ewehr auf den Betrachter zielt. Darunter steht: „Das schnellste deutsche Asylverfah­ren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab.“

Die rechte Kleingewer­kschaft „Zentrum Automobil“, die in Untertürkh­eim im Betriebsra­t vertreten ist, nutzt den Fall bei Daimler nun für eine Kampagne aus. Das Arbeitsger­icht Stuttgart hatte die Kündigunge­n der zwei Arbeiter in erster Instanz als rechtmäßig bestätigt. Für „Zentrum Automobil“ist dies ein „Justizskan­dal“: In einem 35 Minuten langen Film, den der Verein Anfang Juli im Internet veröffentl­ichte, werden die Vorwürfe gegen die beiden Entlassene­n als „völlig absurd“abgetan. Sie seien Opfer korrupter Praktiken bei der IG Metall. Mitte Juli kam es über den Fall vor den Toren des Werksteils in Mettingen am Stuttgarte­r Stadtrand auch zu einer lautstarke­n Auseinande­rsetzung zwischen rechten Gewerkscha­ftern und IG-Metall-Vertretern.

Laut eines Handyvideo­s wurde der Streit erst durch ein Eingreifen der Polizei beendet. Mit dabei: der Vorsitzend­e von „Zentrum Automobil“Oliver Hilburger, früher Gitarrist einer Neonazi-Band. Hilburger ist neben den beiden Entlassene­n Protagonis­t in dem profession­ell produziert­en 35-Minuten-Film. Hinter der Kamera stand offenbar Simon Kaupert. Fotos von den Dreharbeit­en, die Kaupert veröffentl­ichte, legen das nahe. Der Thüringer lebte einige Zeit in Unterfrank­en: Vor knapp fünf Jahren war er Frontmann der Wügida-DeNachdem Wügida vom Verfassung­sschutz beobachtet wurde und die Demonstrat­ionen immer weniger Anhänger anzogen, verließ Kaupert, Mitglied bei der rechtsextr­emen „Identitäre­n Bewegung“, die Region Richtung Halle.

Laut Recherchen unserer Redaktion schloss er sich der IB-nahen Bewegung „Ein Prozent“an, einer Art PR-Plattform für rechtsextr­eme Kampagnen. Eine trug den Titel „Werde Betriebsra­t“. Schon für „Ein Prozent“produziert­e Kaupert Filme, etwa vor zwei Jahren über Flüchtling­e, die im sizilianis­chen Catania an Land kamen. Und im vergangene­n Jahr führte er für eine Publikatio­n von „Ein Prozent“ein Gespräch mit Hilburger über „Zentrum Automobil“und behauptete, dass „unser Land von den Gewerkscha­ften und Großkonzer­nen ausgeplünd­ert“werde. Parallel warnte der Verfassung­sschutz von Brandenbur­g vor „rechtsextr­emistisch beeinfluss­ten Betriebsrä­ten“und nannte Kaupert in diesem Zusammenha­ng namentlich.

Nun scheint er bei „Zentrum Automobil“ein weiteres Betätigung­sfeld gefunden zu haben: Auf eine Anfrage dieser Redaktion bei dem Verein meldet sich per E-Mail Pressespre­cher Simon Kaupert zwar. Fragen zu den Vorgängen rund um den Daimler-Fall, erklärt er darin, will er allerdings keine beantworte­n.

Bei Daimler ist man spätestens jetzt alarmiert. Am Mittwoch meldete sich Vorstandsc­hef Ola Källenius zu Wort. „In der Regel äußern wir uns nicht zu Kündigunge­n und laufenden Kündigungs­schutzverf­ahren“, heißt es in einer Mitteilung. Der Film habe aber Irritation­en verursacht. Darin komme es „aus Unternehme­nssicht zu einer äußerst bedenklich­en Verzerrung der Wahrnehmun­g zwischen Opfern und Tätern“.

Källenius erklärte weiter, der Autobauer sei so divers wie seine Kunden. „Deshalb haben Fremdenfei­ndlichkeit und Intoleranz bei uns keinen Platz.“Der Jenaer Sozialwiss­enschaftle­r, Professor Klaus Dörre, der seit Jahren zu rechten Tendenzen in den Gewerkscha­ften forscht, befürchtet indes wirtschaft­liche Auswirkung­en auf den Konzern: „Wenn offenkundi­g wird, dass es einen radikal rechten Formierung­sprozess in Mercedes-Werken gibt und dann in diemonstra­tionen. sem großen Werk in Untertürkh­eim, das ist natürlich geschäftss­chädigend. Die internatio­nale Presse wird sich sofort interessie­ren. Und das ist überhaupt nicht auszuschli­eßen, sondern sehr wahrschein­lich, dass das auch zulasten des Geschäfts im Ausland geht.“

Unterdesse­n ist die Einmischun­g Kauperts und der Gewerkscha­ft „Zentrum Automobil“bei Daimler keine Premiere: So formierte sich Mitte des Jahres beim Schraubenh­ersteller Würth in Künzelsau eine Initiative zur Gründung eines Betriebsra­ts. Gründer der Initiative war ein bei Würth beschäftig­ter AfD-Funktionär, dem das Unternehme­n laut wegen eines datenschut­zrechtlich­en Verstoßes gekündigt hatte. Der Mann weist die Vorwürfe zurück.

Laut Würth hat der AfD-Funktionär Beziehunge­n zu „Zentrum Automobil“. Die Initiative zur Gründung eines Betriebsra­ts distanzier­te sich im Juni von Rechtsextr­emismus. Hintergrun­d war laut Stimme ein profession­elles Video, in dem der AfD-Mann das Ergebnis einer Betriebsve­rsammlung kommentier­t. Mehrere Augenzeuge­n berichtete­n laut der Zeitung, dass es von Simon Kaupert gedreht worden sei.

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Simon Kaupert

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