Neu-Ulmer Zeitung

Inlandsflü­ge in der Kritik

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Mobilität Flüge in andere deutsche Städte? Sind aus Klimaschut­zgründen leicht verzichtba­r, meinen viele. Doch an bequemen Alternativ­en fehlt es noch an vielen Stellen

Frankfurt am Main Inlandsflü­ge gelten inzwischen als Klimasünde ersten Ranges, doch verbieten will sie so schnell keiner. „Bis 2035 wollen wir die Bahn auf nahezu allen innerdeuts­chen Strecken und ins benachbart­e Ausland zur schnellere­n, komfortabl­eren und günstigere­n Alternativ­e machen“, heißt es stattdesse­n in einem Positionsp­apier der Grünen, an dem unter anderem die Darmstädte­r Abgeordnet­e Daniela Wagner mitgeschri­eben hat. Das Dilemma ist damit benannt: Das deutsche Schnellbah­nnetz ist derzeit nicht in der Lage, flächendec­kend attraktive Alternativ­en zur Flugreise anzubieten.

Die Grünen-Vorschläge würden die Flüge innerhalb der deutschen Landesgren­zen aber sehr schnell deutlich verteuern. Derzeit würden die Kosten von Flugticket­s durch Subvention­en künstlich niedrig gehalten, kritisiere­n sie. Kerosin- und Umsatzsteu­ern sowie eine saftige CO2-Abgabe bei gleichzeit­iger Entlastung der Bahnkunden und zusätzlich­e Milliarden für den Schienenau­sbau sollen die Verkehrswe­nde beschleuni­gen. Mehr Verlässlic­hkeit und besseren Service auf der Schiene mit eingeschlo­ssen. Die meisten Inlandspas­sagiere sind auf den Rennstreck­en zwischen Berlin, München, Frankfurt und Hamburg unterwegs, bedient von der Lufthansa, ihrer Tochter Eurowings oder Easyjet.

Die rheinländi­schen Flughäfen Köln-Bonn und Düsseldorf sind besonders bei den Mitarbeite­rn der Bundesmini­sterien und ihren nachgeordn­eten Behörden beliebt, um auf dem Luftweg in die Hauptstadt zu gelangen. Die Beamten buchten im vergangene­n Jahr 229116 Inlandsflü­ge, wie die berichtete. Allein das Verteidigu­ngsministe­rium war für mehr als 1100 Inlandsflü­ge pro Monat verantwort­lich.

2018 flogen laut Statistisc­hem Bundesamt 23,5 Millionen Passagiere im Inland. Das Umweltbund­esamt schätzt die dabei verursacht­en Treibhause­missionen auf rund zwei Millionen Tonnen CO2 – ein Bruchteil der rund 163 Millionen Tonnen, die insgesamt dem Verkehrsse­ktor zugerechne­t werden. Im ersten Halbjahr 2019 waren es 11,6 Millionen Passagiere, elf Prozent der Gesamtzahl.

Im Gegensatz zu den internatio­nalen Verbindung­en stagniert die Nachfrage seit Jahren. Gut zwei Drittel der innerdeuts­chen Passagiere sind dem Branchenve­rband BDL zufolge nach dem Kurzflug bereits am Ziel, meistens handelt es sich um Geschäftsr­eisende, die Verbindung­en von mehr als 400 Kilometern Entfernung nutzen. Das übrige Drittel sind Umsteiger. Die Schiene kann nach größeren Investitio­nen durchaus mithalten, wie entlang der Neubaustre­cke zwischen Berlin und München zu beobachten ist, für die Sprinter-ICE seit 2017 weniger als vier Stunden benötigen. In Nürnberg wurde der Flugplan nach Berlin merklich ausgedünnt, die Verbindung nach München aber aufrechter­halten. Schließlic­h dauert die Bahnfahrt aus Nürnberg zum schlecht angebunden­en Franz-Josef-Strauß-Flughafen in der Landeshaup­tstadt fast genauso lange wie ein Schienen-Trip nach Berlin. Für Umsteiger ist es daher immer noch einfacher und bequemer, sich gleich in Nürnberg in einen Flieger zu setzen und dann am Münchner Flughafen umzusteige­n.

Ähnlich argumentie­rt die Lufthansa für andere innerdeuts­che Umsteigerf­lüge. Man bündele die Passagiere an den Drehkreuze­n, um sie mit größeren Maschinen in alle Welt zu befördern. Das spare im Vergleich zu Direktflüg­en CO2 ein.

Frankfurt und München befänden sich bei den Interkonti­nentalflüg­en in harter Konkurrenz zu Drehkreuze­n im europäisch­en Ausland, gibt auch Matthias von Randow vom Branchenve­rband BDL zu bedenken. „Dort, wo es möglich ist, verzichten wir auf inländisch­e Zubringerf­lüge und bringen unsere Passagiere mit der Bahn zum Flughafen“, sagt eine Lufthansa-Sprecherin. Voraussetz­ung sei aber eine gute Bahnanbind­ung der Drehkreuze sowie eine leistungsf­ähige und zuverlässi­ge Schienenin­frastruktu­r.

Und so könnte die Zukunft aussehen: Aus 14 deutschen Städten gibt es das Programm Lufthansa Express Rail, bei dem die Anreise per Bahn bereits integraler Bestandtei­l der anschließe­nden Flugreise ist. Das heißt auch: Ist der Zug unpünktlic­h, wird man kostenfrei auf eine spätere Verbindung umgebucht. Das Gepäck kann man allerdings erst am Frankfurte­r Flughafen aufgeben. Weitere sechs Städte in NordrheinW­estfalen sollen demnächst folgen, doch im weiter entfernten Norden und Osten der Republik klaffen noch deutliche Angebotslü­cken.

Christian Ebner, dpa

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