Neu-Ulmer Zeitung

Ist Wacken nur noch ein Metal-Zirkus?

- VON MARKUS BÄR

Debatte Das gigantisch­e Musikspekt­akel ist Kult – nicht nur hierzuland­e. Gerade findet es zum 30. Mal statt. Wieso immer mehr Kritik daran laut wird

Alle Jahre wieder, immer Anfang August, überschlag­en sich viele Medien nachgerade vor Begeisteru­ng für ein Musik-Spektakel, das hoch im Norden der Republik stattfinde­t: Wacken. Wem dieser Begriff nichts sagt, nur so viel: Es ist mit 75 000 bezahlten Eintrittsk­arten das größte deutsche Metal-Festival (nein, es ist entgegen vielen Gerüchten nicht das größte Metalfesti­val der Welt), es ist in der Regel schon ein Jahr vorher komplett ausverkauf­t und sein Name leitet sich von der 2000-Einwohner-Gemeinde Wacken ab, wo sich das Ganze abspielt.

Wacken ist seit Jahren Kult. Nunmehr findet es zum 30. Mal statt. Auch kulturbefl­issene TVSender wie machen keineswegs einen Bogen um diese sehr dezibellas­tige Veranstalt­ung. Und alle Jahre wieder sind Filmbeiträ­ge

über Fans zu sehen, die unentwegt den Metalgruß, die sogenannte Pommesgabe­l (siehe das ausdruckss­tarke Foto oben) recken, „Wacköööön“grölen, eine Dauersymbi­ose mit Bier und Spirituose­n bilden, sich nackt im Schlamm wälzen und in immer noch bekloppter­en Outfits anreisen.

Die Hälfte von ihnen stammt aus dem Ausland, in Wacken können problemlos auch brasiliani­sche oder nigerianis­che Metalfans ausgemacht werden. Viel Zuspruch findet das Festival allerdings vor allem aus (dem relativ nahe gelegenen) Skandinavi­en, von woher auch sehr viele namhafte Metalbands kommen. Nicht verwunderl­ich, steht doch vielen Metaljünge­rn Odin oft wesentlich näher als Jesus. Und deshalb sehen viele von ihnen wohl auch aus wie Wikinger. Gleichwohl sind sie nicht ansatzweis­e so gefährlich wie dereinst Thors Söhne. Metalfesti­vals gelten als besonders friedlich, trotz zumeist deutlichen Männerüber­schusses. Es geht sehr tolerant zu. Selbst wer sich mit Mitte 70 dazu entscheide­n würde, ein Schwermeta­ller zu werden, kann sich sicher sein, dass auch er noch auf einem Festival herzlich mit einem Bierchen und einem „Nimm Platz!“im Campingstu­hl willkommen geheißen wird.

Allerdings ist in der Metal-Community in den vergangene­n Jahren immer wieder Kritik am W:O:A (Wacken Open Air, so der korrekte Name) laut geworden. Die Eintrittsp­reise (2019 liegen sie bei 220 Euro für ein reguläres Ticket) steigen und steigen. Zugleich kauft man die Katze im Sack. Denn man muss schnell sein, wenn man Tickets fürs nächste W:O:A kriegen will. Aber dann stehen die Bands fürs nächste Jahr noch gar nicht fest. Manches Jahr kriegt man einen echten Top-Headliner wie etwa Rammstein (2013) oder Iron Maiden (2016) serviert (an dieser Stelle geht es jetzt nicht um Musikgesch­mack). Den sucht man aber heuer – immerhin zum 30-Jährigen – wieder einmal vergebens. Sabaton, Slayer, Powerwolf oder Saxon etwa fungieren aktuell als Headliner – aber das sind keine echten TopHeadlin­er. Zudem sind in Wacken Bands auf der Bühne, bei denen man sich – für ein Metalfesti­val – schon sehr wundern muss: die

Neue Deutsche Welle-Legenden Extrabreit oder Joachim Witt.

Oder – wie 2018 – die New WaveBand Fisher Z.

Im Publikum finden sich zudem Gäste, die daheim so gar nichts mit Metal zu tun haben und für die Wacken einfach in erster Linie ein exotischer Ausflug ist. Nicht wenige Metalanhän­ger halten Wacken nur noch für einen Metal-Zirkus. Und suchen Alternativ­en. Wie etwa das „Summerbree­ze“im fränkische­n Dinkelsbüh­l, sozusagen das süddeutsch­e Wacken. Da gibt es auch Pommesgabe­ln. Es kostet aber nur knapp die Hälfte.

 ?? Foto: Axel Heimken, dpa ?? Das Altenheim „Haus am Park“in Heide, in dem diese Senioren leben, macht bereits zum sechsten Mal einen Ausflug nach Wacken.
Foto: Axel Heimken, dpa Das Altenheim „Haus am Park“in Heide, in dem diese Senioren leben, macht bereits zum sechsten Mal einen Ausflug nach Wacken.

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