Neu-Ulmer Zeitung

Die Berühmthei­ten wohnen jetzt gegenüber

- VON CHRISTA SIGG

Museen Münchens Neue Pinakothek ist wegen Sanierung geschlosse­n. Doch ihr Bilderscha­tz ist nicht im Depot gelandet. Glanzstück­e der Sammlung sind nun in der Alten Pinakothek ausgestell­t – weit mehr als nur eine Notlösung

München Vitrinen heben die Bedeutung und machen Kunst gleich noch einmal kostbarer. Dass Caspar David Friedrichs schneebede­ckte Fichten jetzt aber flachgeleg­t präsentier­t werden, ungefähr so, wie im Dezember die Nordmannta­nnen bei den Christbaum­händlern – daran muss man sich erst noch gewöhnen. Auf der anderen Seite kann man froh sein, dass wichtige Werke der seit Januar geschlosse­nen Neuen Pinakothek in München nicht für die nächsten Jahre in irgendeine­m Depot verschwind­en, sondern nun visà-vis in der Alten Pinakothek sowie in der Sammlung Schack an der Prinzregen­tenstraße zu sehen sind.

Die aktuellen Zahlen zur Generalsan­ierung des von Alexander von Branca konzipiert­en Baus legen sowieso Geduld nahe. Mit einer Wiedereröf­fnung ist 2025 – wie ursprüngli­ch beabsichti­gt – jedenfalls nicht zu rechnen, 2027 dürfte realistisc­her sein. Doch immerhin hat der Landtag nun grünes Licht gegeben und die geschätzte­n 220 Millionen Euro Renovierun­gs- und Baukosten genehmigt. Vor wenigen Jahren war noch von 80 Millionen Euro die Rede, dann wurde die Mängellist­e länger und länger, und schließlic­h waren noch ein paar Eingriffe mit Alexandra von Branca, der Tochter des 2011 gestorbene­n Architekte­n, zu klären. Sie wahrt die Rechte an den Entwürfen ihres Vaters.

Im Fall der 1981 eröffneten Neuen Pinakothek geht es um minimale Veränderun­gen an der Fassade und um einen behinderte­ngerechten Eingang. Raum für die Vermittlun­g braucht es auch. All das war in den 70ern noch lange kein Thema, zumal der Museumskom­plex schon deutlich früher, in den 60er Jahren, geplant wurde.

Das alles rückt in der Alten Pinakothek dann aber schnell in den Hintergrun­d. In den Erdgeschos­sSälen hinter dem Klenze-Portal, wo bis vor kurzem noch die Altdeutsch­e und Altniederl­ändische Malerei endlich wieder ihren Platz eingenomme­n hatte, darf sich nun das 19. Jahrhunder­t über seine zeitlichen Randzonen hinweg ausbreiten. Fast 90 Gemälde – in der Neuen Pinakothek hingen rund 450 Werke – umfasst die Schau „Von Goya bis Manet“mit Highlights wie Paul Gau„Geburt“, Cézannes Selbstbild­nis, natürlich Édouard Manets „Frühstück im Atelier“, Claude Monet beim Malen in seiner Barke von Manet), Bildern von Gustave Courbet und Eugène Delacroix, einem wunderbare­n William Turner mit der Ansicht von Ostenguins de, Bedeutungs­schwangere­m von Caspar David Friedrich, Max Liebermann, Gustav Klimt, und natürlich Vincent van Goghs Sonnenblu(gemalt men, ohne die nicht nur Touristen enttäuscht abziehen würden.

Die Kuratoren haben es sich allerdings verkniffen, lediglich ein Best-of der Sammlung aneinander­zureihen. Stattdesse­n sind Themenbere­iche und Nachbarsch­aften zusammenge­fasst, und man kann durch das neue Nebeneinan­der schön vergleiche­n – zum Beispiel zwischen den Romantiker­n und den von alten Zeiten schwärmend­en Nazarenern. Oder den Realisten. Wobei solche Begrifflic­hkeiten nicht unbedingt zielführen­d sind, auch das machen die neuen Konfrontat­ionen deutlich. Also verhandelt man besser Zentren wie „Berlin um 1900“mit Corinth, Slevogt und Liebermann in einem eigenen Kabinett. Und schön, dass auch Fernand Khnopff, Odilon Redon und der weniger geläufige George Frederick Watts mit seinem „Glückliche­n Krieger“symbolisti­sch-schillernd­e Präsenz entfalten können.

Das alles sind ergiebige Begegnunge­n, wobei man besonders lange an den Porträts im Mittelsaal hängen bleibt. Die Kombinatio­n ist ja auch erlesen und markiert eine aufregende Entwicklun­g: von den selbstgewi­ssen Briten, die sich etwa von Thomas Gainsborou­gh in ihrer blasierten Upper-class-Blässe in die Natur setzen lassen, über Goyas anrührend menschelnd­e Beobachtun­gen bis hin zu Degas’ Büglerin auf der anderen Seite der Gesellscha­ft.

Mächtige Schinken wie Carl von Pilotys theatralis­ch pompöse „Thusnelda im Triumphzug des Germanicus“sucht man freilich vergebens, doch ist das zu verschmerz­en. Und Spitzweg, Böcklin oder Feuerbach findet man in der Schack Galerie, wo sie sich bestens einfügen. Dem teilweise verschmäht­en 19. Jahrhunder­t wird dieser Umzug guttun. Nur für die altdeutsch­en und altniederl­ändischen Vormieter fehlt eine Lösung. Dass etwa Michael Pachers Kirchenvät­eraltar in den nächsten Jahren von der Bildfläche verschwund­en sein soll, daran mag man sich nun wirklich nicht gewöhnen.

Alte Pinakothek, Barerstraß­e 27 (Eingang Theresiens­traße), Di von 10 bis 20, Mi bis So 10 bis 18 Uhr. Sammlung Schack, Prinzregen­tenstraße 9, Mi bis So 10 bis 18 Uhr, jeden 1. und 3. Mi im Monat bis 20 Uhr.

 ??  ??
 ??  ?? Glanzstück­e der Neuen Pinakothek, jetzt zu sehen in der Alten Pinakothek: Paul Gauguins „Geburt“(oben), Vincent van Goghs „Sonnenblum­en“und das Selbstbild­nis von Paul Cézanne.
Glanzstück­e der Neuen Pinakothek, jetzt zu sehen in der Alten Pinakothek: Paul Gauguins „Geburt“(oben), Vincent van Goghs „Sonnenblum­en“und das Selbstbild­nis von Paul Cézanne.
 ?? Fotos: Bayerische Staatsgemä­ldesammlun­gen, Neue Pinakothek ??
Fotos: Bayerische Staatsgemä­ldesammlun­gen, Neue Pinakothek

Newspapers in German

Newspapers from Germany