Schreddern
Als der mythenumrankte Künstler Banksy 2018 sein vor Kurzem bei Sotheby’s für 1,2 Millionen Euro versteigertes Bild „Girl with Balloon“per Fernsteuerung schredderte, stand die Kunstwelt Kopf. Das in Streifen geschnittene Bild verlor nicht etwa an Wert – es wurde zu einer Ikone. In Baden-Baden und in Stuttgart standen die Leute Schlange, um das einzigartige „Schredder-Bild“im Museum zu sehen. Banksy hat nicht nur den Kunstbetrieb vorgeführt und die überkommene Vorstellung vom Wert eines zerstörten Bildes geschreddert. Er hat auch die Geschichte des Schredderns auf originelle Weise fortgeschrieben – mit einem verblüffenden Einfall und einer virtuosen Dressurnummer des im Bilderrahmen versteckten Reißwolfs. Das ist im Reich des Schredderns nicht die Regel, denken wir an das Küken-Schreddern.
In Wien sind weniger begabte Künstler am Werk gewesen. Wie dilettantisch dort ein Mitarbeiter von Ex-Regierungschef Sebastian Kurz Festplatten aus dem Kanzleramt schreddern ließ, beschäftigt inzwischen ganz Österreich. Auf gleich drei Schredderdurchgänge bestand der unter falschem Namen auftretende Kurz-Mann, der das gehäckselte Daten-Granulat dann auch noch selbst mitnehmen wollte. Wie normal und üblich das Zerfleddern und Schreddern von Regierungsdaten aus dem Gedächtnis der Republik ist, darüber streitet man in Wien noch.
Neben Akten, Küken und Müll werden auch Geldscheine geschreddert. Die Bundesbank füttert unablässig Reißwölfe damit. Welche Transformation da vor sich geht, zeigt der Preis für einen Barren Schreddergeld im Drucknennwert von einer halben Million:
19,74 Euro. Die Datenschutzgrundverordnung hat dazu geführt, dass den Schreddern, Häckslern und Reißwölfen Europas Tonnen neuer Nahrung in den Rachen geworfen werden. Es wird zerkleinert, zerquetscht und zerfetzt, was die Vernichter hergeben. Aber die Datenmenge, die Pixelmassen und Festplatten-Gigabytes, sie wachsen und wachsen einfach weiter. Selbst ein Höllenschlund wäre zu klein, das alles zu verdauen.