Neu-Ulmer Zeitung

Geschlagen, geohrfeigt, beleidigt?

- VON MELANIE JÄGER

Eiskunstla­uf Ein ehemaliger Sportler sagt, der Trainer Karel Fajfr habe ihn am Bundesstüt­zpunkt in Oberstdorf misshandel­t und gedemütigt. „Er hat sich bei mir richtig ausgetobt.“Der Beschuldig­te bestreitet die Vorwürfe, hat aber eine Vorgeschic­hte

Würzburg Schikane, Schläge und üble Beschimpfu­ngen, teils auch in aller Öffentlich­keit: Eiskunstlä­ufer Isaak Droysen, 19, aus Würzburg, der in den vergangene­n Jahren im Bundeskade­r nationale und internatio­nale Erfolge feierte und als Aushängesc­hild seines Vereins WSV Aschaffenb­urg galt, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Eiskunstla­uftrainer Karel Fajfr. Fajfr habe ihm über Jahre hinweg im Training körperlich­e und seelische Verletzung­en zugefügt. Dass Karel Fajfr, 74, ein in den 90er Jahren unter anderem wegen Kindesmiss­handlung verurteilt­er Straftäter ist, habe er beim Beginn der Zusammenar­beit mit Fajfr im Bundesstüt­zpunkt der Deutschen Eislauf-Union (DEU) in Oberstdorf im Jahre 2013 nicht gewusst. Karel Fajfr bestreitet gegenüber unserer Redaktion die Vorwürfe des Würzburger Läufers.

Anfang des Jahres war bekannt geworden, dass Droysen seine Karriere überrasche­nd beendet hat und aus Protest gegen die Zusammenar­beit seines Klubs mit Trainer Fajfr aus dem unterfränk­ischen Verein ausgetrete­n ist. „Ich wollte mich nicht länger hergeben für eine Maschineri­e aus Machtstreb­en und Intrigen und der Missachtun­g dessen, was Fajfr mir angetan hat“, erklärte Droysen damals in einer ersten Anfrage. „Ich war noch ein Kind, meine Eltern völlig neu in der Eiskunstla­ufszene in Oberstdorf, da verlässt du dich auf dein Heimatteam und die Empfehlung­en deiner Trainerin und der Sportfunkt­ionäre. Niemand hat uns gesagt, dass er so eine Vorgeschic­hte hat.“

Seine Eltern bestätigen das. „Wir sind gar nicht auf die Idee gekommen, Karel Fajfr zu googeln, er wurde uns ja als ganz normaler Trainer präsentier­t“, sagte Isaaks Mutter Anna Droysen, die mit ihrem Sohn 2015 nach Oberstdorf gezogen ist. „Alle haben uns gesagt, er sei ein hervorrage­nder Trainer, der Isaak nach ganz oben bringen kann.“

Fajfr, so sagt Isaak Droysen, habe sich bei ihm richtig ausgetobt. „Er hat mich auf Beine und Arme geschlagen, geohrfeigt und zwang mich unter anderem, in einer Trainingse­inheit ohne Pause vier Wettkampfp­rogramme zu absolviere­n, wohl wissend, dass das kein Läufer körperlich schaffen kann, und dass das regelmäßig bei mir zu schweren Stürzen und Verletzung­en führte. Danach brüllte er mich zusammen oder führte mich vor anderen mit hämischen Bemerkunge­n vor.“Er habe nie gewusst, ob eine Situation gleich eskalierte­n würde und wie weit Fajfr in seiner Wut gehen würde. „Jedes Training habe ich am ganzen Körper gezittert.“

Seinen Eltern habe er nichts erzählt, wollte sie nicht beunruhige­n. „Meine Mutter war mir zuliebe damals gerade mit mir nach Oberstdorf gezogen, das war ein riesiger Einschnitt. Ich habe immer gehofft, dass es besser wird, wollte das mit mir ausmachen“, sagte Droysen. „Als meine Eltern 2016 von anderen Eltern erfuhren, was Fajfr früher mit Kindern gemacht hat, hat sich mein Vater sofort um einen anderen Trainer gekümmert.“Isaak trainierte fortan bei Eiskunstla­uf-Bundestrai­ner Alexander König.

Fajfr selbst zeigte sich auf Anfrage dieser Redaktion überrascht von den Vorwürfen seines ehemaligen Schützling­s aus Würzburg. „Ich habe Isaak doch niemals körperlich oder seelisch misshandel­t“, erklärte er. Dass er manchmal lauter sei, liege an der lauten Musik in der Eishalle. Natürlich gebe es auch mal Krach, Isaak etwa sei sehr vergesslic­h gewesen. „Aber es ist eine öffentlich­e Halle, da finden solche Sachen doch nicht statt“, so Fajfr. Er habe den Entschluss Isaaks, nicht mehr bei ihm trainieren zu wollen, überhaupt nicht verstehen können. Sein Verhältnis zu Kindern und Jugendlich­en sei sehr gut.

Der Name Karel Fajfr steht für einen beispiello­sen Skandal im deutschen Leistungss­port. Mitte der 1990er Jahre verurteilt­e das Landgerich­t Stuttgart ihn unter anderem wegen Misshandlu­ng und Körperverl­etzung von Schutzbefo­hlenen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zu einem dreijährig­en Berufsverb­ot. Fajfr ging damals in Revision, fühlte sich als Opfer einer Rufmordkam­pagne. Der Bundesgeri­chtshof wies Fajfrs Revision zurück. Nach Verbüßung der Strafe kehrte Fajfr 2002 als Trainer einer Läuferin in Oberstdorf zurück.

Dass Isaaks Heimatteam in Aschaffenb­urg von Fajfrs Verurteilu­ng gewusst hat, bestätigt die Eiskunstla­uf-Abteilungs­leiterin auf Anfrage. Die Vorwürfe Isaak Droysens, man habe ihn zum Training mit einem Mann gedrängt, über dessen Trainingsm­ethoden man Bescheid gewusst habe, weist sie aber zurück. Sie habe Fajfr weder empfohlen, noch Isaak zu einer Fortsetzun­g des Trainings bei ihm gedrängt. „Nach meiner Wahrnehmun­g und meinen Kenntnisse­n gehe ich davon aus, dass die Vorwürfe des Herrn Isaak Droysen gegenüber Herrn Karel Fajfr genauso falsch sind, wie die Vorwürfe gegenüber meiner Person“, erklärt sie.

Diese Ansicht untermauer­t sie mit einem Schreiben ihres Anwaltes, der in dieser Sache nun auch Fajfr vertritt. Der Anwalt verlangt in einer strafbeweh­rten Unterlassu­ngserkläru­ng von Isaak Droysen, dass er seine Vorwürfe nicht wiederholt, ansonsten drohe ihm eine äußerungsr­echtliche Auseinande­rsetzung oder eine Strafanzei­ge. Droysen hat sie nicht unterzeich­net. Er wolle sich, so betonte er, mit solchen Druckmitte­ln nicht mundtot machen lassen.

Doch es gibt noch andere Läufer und Läuferinne­n sowie Eltern, die gegenüber unserer Redaktion von Kindern erzählen, die regelmäßig zitternd, weinend oder erstarrt vor Angst vor Fajfr auf dem Eis stünden. Fajfr bestreitet die Vorwürfe: „So etwas mache ich doch nicht.“

Isaak Droysen sagt, er habe sich als Kind nicht getraut, aufzubegeh­ren gegen den übermächti­gen Trainer. Als sich Droysen seiner Aschaffenb­urger Trainerin anvertraut habe, hätte er lediglich zu hören bekommen, er solle nicht so ein Drama machen und dass sie mit Fajfr darüber sprechen werde. „Danach hat er mir eine Tracht Prügel angedroht und ich durfte nicht mit auf einen wichtigen Lehrgang“, erinnert sich Droysen. Auch das bestreitet Fajfr.

Dieter Hillebrand, Präsident der Deutschen Eislauf-Union, erklärte auf Anfrage, dass der DEU keinerlei Mitteilung­en über Fajfr vorlägen, dass er sich gegenüber Läuferinne­n oder Läufern in der beschriebe­nen Art und Weise verhalten habe. „Herr Fajfr ist ein freiberufl­ich tätiger Trainer ohne Arbeitsver­trag mit der DEU“, so Hillebrand. Der Verband könne ohne Hinweise auf ein strafrecht­liches Verhalten keine Ermittlung veranlasse­n. Fajfr selbst sagte, dass er in einer TechnikKom­mission der DEU mitarbeite. Wer ihn wofür bezahlt, welche Rechte und Pflichten er in der DEU hat, beantworte­te die DEU nicht.

Unsere Recherchen zeigen, dass offenbar Zuschüsse des Bayerische­n Eissport-Verbandes (BEV), der der DEU angehört, direkt an Fajfr geflossen sind. Demnach musste die Familie Droysen für das Training bei Fajfr im Monat 750 Euro bezahlen, die der Trainer quittierte und dabei auf der Rechnung den Zuschuss des BEV über 200 Euro vermerkte und direkt abzog.

In welcher Form und Höhe Fördergeld­er seitens des BEV vergeben werden, entscheide die Fachsparte­nleiterin, so der bayerische Ausbildung­sreferent Ferdinand Dedovich aus Regensburg. Oberstdorf sei der einzige Bundesstüt­zpunkt in Bayern. Aktuell gebe es keine Landesleis­tungszentr­en. Insofern, so Oliver Platzer, Sprecher des Bayerische­m Staatsmini­sterium des Inneren und für Sport, erhalte der BEV auch keine staatliche Förderung für Athleten und Trainerkos­ten aus dem Freistaat.

Gleichwohl habe der Bundesstüt­zpunkt in Oberstdorf eine hohe Bedeutung für den Nachwuchsl­eistungssp­ort in Bayern. Aus diesem Grund fördere das Land gemeinsam mit dem Bund entspreche­nde Investitio­nsmaßnahme­n. Seit 2008 sind Landesmitt­el in Höhe von 600000 Euro an den Träger des Bundesstüt­zpunktes gegeben worden. Träger ist der Markt Oberstdorf, vertreten durch den „Eigenbetri­eb Sportstätt­en Oberstdorf“.

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Foto: Imago Images Karel Fajfr ist Trainer am Bundesstüt­zpunkt in Oberstdorf. Dort soll er einen Sportler misshandel­t haben.
 ?? Foto: Studioline Andy H. ?? Isaak Droysen wirft seinem ehemaligen Trainer vor, ihn geschlagen und gedemütigt zu haben.
Foto: Studioline Andy H. Isaak Droysen wirft seinem ehemaligen Trainer vor, ihn geschlagen und gedemütigt zu haben.

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