Besatzer, Beschützer, Freunde
Serie (45) Knapp 40 Jahre lang war Neu-Ulm Standort der US-Army, zwischenzeitlich machten die Amerikaner ein Viertel aller Bewohner aus. Es waren Zeiten mit Konflikten und gemeinsamen Feiern. Ein Erinnerungsort könnte bald verschwinden
Zwischen April und September 2019 feiert Neu-Ulm sein Jubiläum „150 Jahre Stadterhebung“. Die Neu-Ulmer Zeitung, die heuer 70 wird, tut in diesen Monaten ein paar Blicke in die Vergangenheit der Kommune, in ihre Gegenwart und - so weit möglich - in die Zukunft. Heute: US-Army. schen Streitkräfte aber kam die Stunde der Neu-Ulmer Stadtplaner. Gewissermaßen über Nacht waren 140 Hektar innerstädtischen Militärgeländes für zivile Nutzung frei geworden. Mit knapp 80 Hektar bildete das Wiley das größte Areal, gefolgt von Nelson mit 15 und dem Vorfeld mit 29 Hektar. Den Rest bildeten Schwaighofen, das Versorgungszentrum im Starkfeld und der heutige Barfüßer. In zweijährigen Verhandlungen unter Federführung von Oberbürgermeister Peter Biebls und des Neu-Ulmer Bundestagsabgeordneten und Bundesfinanzministers Theo Waigel erwarb die Stadt 1994 das gesamte einstige militärische Areal zum Preis von 86 Millionen Mark, was 44 Millionen Euro entspricht. Staatliche Zuschüsse in Höhe von 20 Millionen Mark milderten die finanzielle Last. Schon im Jahr zuvor hatte die Stadt ein von einem Stuttgarter Planungsbüro erarbeitetes Strukturkonzept für die städtischen Konversionsgebiete vorgelegt.
Rund ein Vierteljahrhundert ist seither vergangen. Die hinzugewonnenen Stadtgebiete sind überwiegend bebaut oder verplant. Das Wiley-Süd ist zum Wohngebiet geworden mit Büros und Praxen entlang der Edisonallee. Den nördlichen Teil nehmen die Hochschule NeuUlm und ein Freizeitgelände ein. Das Wiley-Nord hat ein Seniorenund ein Studentenwohnheim gewonnen, dazu eine neue Grundschule, ein Parkhaus. Das von den
Viele frühere Militärgebäude werden jetzt anders genutzt
Amerikanern übernommene Kino wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Platz wäre noch, das sanierungsreife Lessing-Gymnasium hineinzuverlegen.
In die einstigen Nelson-Baracks an der Reuttier Straße sind das Finanzamt und die Polizeidirektion eingezogen, in die Wohngebäude im Vorfeld neue Mieter. Das Schicksal des früheren Offiziersklubs und heutigen Barfüßer-Wirtshauses ist ungeklärt. Wirt Ebbo Riedmüller will den ganzen historischen Komplex samt Biergarten abreißen und neu bebauen. Stadtarchivar Peter Liptau hielte das für bedauerlich. „Der optische Zustand eines Gebäudes bestimmt nicht seinen Denkmalwert“, sagt Liptau. Vielmehr gehe es um seine historische Rolle innerhalb der Stadtgeschichte. Als Archivar und somit Bewahrer der Stadtgeschichte wie auch als Bauhistoriker erscheine ihm das ehemalige Casino als erhaltenswürdig, obwohl es nicht als Denkmal geschützt sei. Seine Rolle als Wehrmachtscasino ab 1937, als Unterbringungsort für „Displaced Persons“ab 1945 und seine Funktion als US-Casino bis 1991 machten es zu einem wichtigen Ankerpunkt der Stadtgeschichte.