Neu-Ulmer Zeitung

Städteplan­er in der Zwickmühle

- VON JENS CARSTEN

Froh sein kann, wer schon in Illertisse­n lebt: Der Wohnungsma­rkt ist leer gefegt. Das wurde in dieser Woche offensicht­lich, als es um die Zukunft des geplanten Wohngebiet­s auf dem ehemaligen Baywa-Areal ging. Nur eine Handvoll Mietwohnun­gen sind bei einschlägi­gen Online-Portalen noch zu haben. Wer dennoch fündig wird, muss eine Kaltmiete von bis zu elf Euro pro Quadratmet­er hinlegen. Das ist ein Brett für eine Kleinstadt, auch wenn die in einer wirtschaft­lich erfolgreic­hen Region liegt. Im aufstreben­den Illertisse­n darf das kein Dauerzusta­nd sein: Soll der Aufwärtstr­end nicht erlahmen, muss zügig neuer Wohnraum her. Das ist aber nicht so einfach. Wie viele seiner Kollegen sitzt Hochbauamt­sleiter Florian Schilling in Illertisse­n in der Zwickmühle zwischen Anspruch und Wirklichke­it.

Auch wenn ordentlich Druck im Wohnungsma­rkt ist – unberührte­s Land einfach so zu bebauen, funktionie­rt nicht oder nicht mehr lange. Stichwort: Flächenver­brauch. Vor wenigen Tagen war Earth Overshoot Day 2019, der Welterschö­pfungstag, an dem rechnerisc­h die für das Jahr zur Verfügung stehenden Ressourcen aufgebrauc­ht waren. Ende Juli. Die deutliche Botschaft: Irgendwann stößt das Wachstum an seine Grenzen. Überlegung­en wie diese bestimmen weltweit die politische­n Agenden. Ihre Folgen könnten bald konkret in der Region zu spüren sein: Sollte etwa der Flächenver­brauch in Bayern gesetzlich eingedämmt werden, träfe das auch die hiesigen Städte und Gemeinden. Sie müssen dann zusehen, dass sie den dringend benötigten Raum für neue Wohnhäuser innerorts schaffen.

Finanziell­e Anreize wie durch das Programm „Innen statt Außen“täuschen nicht darüber hinweg, dass der Staat hierbei eine zweigespal­tene Rolle einnimmt. Die derzeitige Gesetzesla­ge macht es den Planern in den Rathäusern schwer. Ein Beispiel ist das Illertisse­r BaywaAreal. Der Fund geschützte­r Zauneidech­sen hat den Bebauungsp­lan deutlich verzögert, während sich die Wohnungsno­t weiter verschärft.

Hier zeigt sich exemplaris­ch: Wohnungsba­u und Umweltschu­tz lassen sich bisher nur schwer verzahnen. Das zu schaffen, ist vielleicht die größte Herausford­erung unserer Zeit. Entscheidu­ngsträger auf allen Ebenen sind gefragt. In den Kommunen müssen sich die Planer bei neuen Wohnprojek­ten noch stärker auf Brachen, Baulücken und Altbauten konzentrie­ren – und die Regierung muss eine schnelle Umsetzung ermögliche­n.

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