Neu-Ulmer Zeitung

Zu gut für diese Welt

- VON TOBIAS SCHAUMANN UND MICHAEL GEBHARDT

Test Erdgasauto­s sind umweltfreu­ndlich und günstig, aber nicht sehr populär. Warum? Der Seat Leon TGI macht das Rätsel nur noch größer

Auf die Frage nach dem Antrieb der Zukunft scheint Deutschlan­d nur eine Antwort zu kennen: Elektromob­ilität. Diskutiert wird höchstens noch, ob der Strom nun aus einer Batterie oder aus einer Brennstoff­zelle, sprich mit Wasserstof­f im Tank, kommen soll.

Dabei gäbe es ein Gas, das zumindest den Antrieb der Gegenwart stemmen könnte: Erdgas, konkreter Methan, das an den Tankstelle­n als CNG verkauft wird. Aus praktische­r Sicht bieten Erdgasauto­s gegenüber Stromern eine ganze Menge an Vorteilen. Die Technologi­e ist im großen Stil verfügbar und bezahlbar. Sie genügt auch ökologisch­en Ansprüchen, stoßen Erdgasauto­s doch etwa 25 Prozent weniger CO2 aus als Benziner oder Diesel. CNG-Triebwerke emittieren ferner nur fünf Prozent der Stickoxidm­enge herkömmlic­her Verbrenner. Die neuesten Abgasnorme­n erfüllen sie sogar ohne Partikelfi­lter. Das Gas selbst kann regenerati­v, sprich aus nachwachse­nden Rohstoffen, oder aus Bioabfälle­n gewonnen werden, was hierzuland­e zu einem Fünftel passiert. Einziger offensicht­licher Nachteil: Das Tankstelle­nnetz ist mit rund 850 CNG-Zapfsäulen in Deutschlan­d recht löchrig.

Überzeugt? Dann stellt sich allein die Frage, warum so wenig Erdgasauto­s auf deutschen Straßen unterwegs sind. Einerseits liegt es am Angebot. Aktuell haben nur der VWmit den Töchtern Audi, Seat und Skoda sowie Fiat CNGMotoren im Programm. Alle anderen Hersteller haben ihre Bemühungen inzwischen wieder eingestell­t. Denn anderersei­ts hält sich auch die Nachfrage in Grenzen.

Warum die Autos, salopp gesagt, keiner kauft – das bleibt ein großes Rätsel, gerade nach einer Testfahrt. Wir stellten einen Seat Leon ST FR 1.5 TGI auf die Probe. Der kostet in der Basis 28 300 Euro und somit nur etwa 1500 Euro mehr als sein OttoBruder. Auch die Treibstoff­preise fallen dank Steuerverg­ünstigunge­n moderat aus: Ein Kilogramm Erdgas, das in etwa so viel Energie liefert wie 1,5 Liter Benzin, kam im Testzeitra­um auf 1,15 Euro. VerKonzern braucht hat der Leon Kombi real etwa 4,5 Kilogramm CNG auf 100 Kilometern, sodass diese Distanz mit 5,18 Euro zu Buche schlug. Das ist selbst mit dem sparsamste­n Diesel nicht zu toppen.

Anders als bei vielen Elektroaut­os ist Reichweite­nangst kein Thema. Im Test reichte der Erdgasvorr­at von 17 Kilogramm für gut 360 Kilometer. Zusätzlich hat der Leon neun Liter Benzin als Reserve an Bord; sein Motor kann es nämlich mit beidem. Das ist keine Riesenmeng­e, sollte aber allemal reichen, um die nächste Erdgas-Tankstelle ansteuern zu können. Bei Suche und Anfahrt hilft das Navi.

Ansonsten merkt der Fahrer vom CNG-Antrieb: nichts. Der Wagen fühlt sich an wie ein gewöhnlich­er Benziner, mit 130 PS sicher nicht übermotori­siert, aber spritzig genug, vor allem mit dem bewährten 7-Gang-DSG in der „Sport“-Stellung. Fahrdynami­sch profitiert der Leon ferner von einem sehr straff abgestimmt­en Unterbau, einer direkten Lenkung und nicht zuletzt von einem vorbildlic­h niedrigen Leergewich­t von weniger als 1400 Kilogramm.

Das Platzangeb­ot ist vorne wie hinten mehr als ausreichen­d. Der Kofferraum fasst zwar aufgrund der Erdgas-Tanks unter dem Ladeboden mit 482 Litern gut 100 Liter weniger als die Standardve­rsion, aber das sollte kein Problem sein. Der Innenraum wirkt durchdacht und wertig. Das riesige Panorama-Glasschieb­edach (1050 Euro) und das Alcantara-Paket (560 Euro) zaubern sogar einen Hauch Luxus in den grundsolid­en Wagen.

Datenblatt

Seat Leon ST 1.5 TGI 7G.-DSG Hubraum 1498 ccm Leistung 130 PS bei 5000/min Drehm. 200 Nm ab 1400/min Länge/B./H. 4,55/1,81/1,45 Leergewich­t/Zul. 1374/581 kg Anhängelas­t gebr. 1400 kg Kofferraum 482 – 1470 l 0 – 100 km/h 10,0 s Top-Tempo 206 km/h Normverbr. 3,5 kg CNG/100 km CO2-Ausstoß 95 g/km Energieeff­izienzklas­se A+ Preis ab 28 300 Euro

 ?? Foto: Seat ?? Man sieht ihn nicht, man spürt ihn nicht: Der Erdgasantr­ieb im Seat Leon ST TGI ist äußerst diskret.
Foto: Seat Man sieht ihn nicht, man spürt ihn nicht: Der Erdgasantr­ieb im Seat Leon ST TGI ist äußerst diskret.

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