Zu gut für diese Welt
Test Erdgasautos sind umweltfreundlich und günstig, aber nicht sehr populär. Warum? Der Seat Leon TGI macht das Rätsel nur noch größer
Auf die Frage nach dem Antrieb der Zukunft scheint Deutschland nur eine Antwort zu kennen: Elektromobilität. Diskutiert wird höchstens noch, ob der Strom nun aus einer Batterie oder aus einer Brennstoffzelle, sprich mit Wasserstoff im Tank, kommen soll.
Dabei gäbe es ein Gas, das zumindest den Antrieb der Gegenwart stemmen könnte: Erdgas, konkreter Methan, das an den Tankstellen als CNG verkauft wird. Aus praktischer Sicht bieten Erdgasautos gegenüber Stromern eine ganze Menge an Vorteilen. Die Technologie ist im großen Stil verfügbar und bezahlbar. Sie genügt auch ökologischen Ansprüchen, stoßen Erdgasautos doch etwa 25 Prozent weniger CO2 aus als Benziner oder Diesel. CNG-Triebwerke emittieren ferner nur fünf Prozent der Stickoxidmenge herkömmlicher Verbrenner. Die neuesten Abgasnormen erfüllen sie sogar ohne Partikelfilter. Das Gas selbst kann regenerativ, sprich aus nachwachsenden Rohstoffen, oder aus Bioabfällen gewonnen werden, was hierzulande zu einem Fünftel passiert. Einziger offensichtlicher Nachteil: Das Tankstellennetz ist mit rund 850 CNG-Zapfsäulen in Deutschland recht löchrig.
Überzeugt? Dann stellt sich allein die Frage, warum so wenig Erdgasautos auf deutschen Straßen unterwegs sind. Einerseits liegt es am Angebot. Aktuell haben nur der VWmit den Töchtern Audi, Seat und Skoda sowie Fiat CNGMotoren im Programm. Alle anderen Hersteller haben ihre Bemühungen inzwischen wieder eingestellt. Denn andererseits hält sich auch die Nachfrage in Grenzen.
Warum die Autos, salopp gesagt, keiner kauft – das bleibt ein großes Rätsel, gerade nach einer Testfahrt. Wir stellten einen Seat Leon ST FR 1.5 TGI auf die Probe. Der kostet in der Basis 28 300 Euro und somit nur etwa 1500 Euro mehr als sein OttoBruder. Auch die Treibstoffpreise fallen dank Steuervergünstigungen moderat aus: Ein Kilogramm Erdgas, das in etwa so viel Energie liefert wie 1,5 Liter Benzin, kam im Testzeitraum auf 1,15 Euro. VerKonzern braucht hat der Leon Kombi real etwa 4,5 Kilogramm CNG auf 100 Kilometern, sodass diese Distanz mit 5,18 Euro zu Buche schlug. Das ist selbst mit dem sparsamsten Diesel nicht zu toppen.
Anders als bei vielen Elektroautos ist Reichweitenangst kein Thema. Im Test reichte der Erdgasvorrat von 17 Kilogramm für gut 360 Kilometer. Zusätzlich hat der Leon neun Liter Benzin als Reserve an Bord; sein Motor kann es nämlich mit beidem. Das ist keine Riesenmenge, sollte aber allemal reichen, um die nächste Erdgas-Tankstelle ansteuern zu können. Bei Suche und Anfahrt hilft das Navi.
Ansonsten merkt der Fahrer vom CNG-Antrieb: nichts. Der Wagen fühlt sich an wie ein gewöhnlicher Benziner, mit 130 PS sicher nicht übermotorisiert, aber spritzig genug, vor allem mit dem bewährten 7-Gang-DSG in der „Sport“-Stellung. Fahrdynamisch profitiert der Leon ferner von einem sehr straff abgestimmten Unterbau, einer direkten Lenkung und nicht zuletzt von einem vorbildlich niedrigen Leergewicht von weniger als 1400 Kilogramm.
Das Platzangebot ist vorne wie hinten mehr als ausreichend. Der Kofferraum fasst zwar aufgrund der Erdgas-Tanks unter dem Ladeboden mit 482 Litern gut 100 Liter weniger als die Standardversion, aber das sollte kein Problem sein. Der Innenraum wirkt durchdacht und wertig. Das riesige Panorama-Glasschiebedach (1050 Euro) und das Alcantara-Paket (560 Euro) zaubern sogar einen Hauch Luxus in den grundsoliden Wagen.
Datenblatt
Seat Leon ST 1.5 TGI 7G.-DSG Hubraum 1498 ccm Leistung 130 PS bei 5000/min Drehm. 200 Nm ab 1400/min Länge/B./H. 4,55/1,81/1,45 Leergewicht/Zul. 1374/581 kg Anhängelast gebr. 1400 kg Kofferraum 482 – 1470 l 0 – 100 km/h 10,0 s Top-Tempo 206 km/h Normverbr. 3,5 kg CNG/100 km CO2-Ausstoß 95 g/km Energieeffizienzklasse A+ Preis ab 28 300 Euro