Neu-Ulmer Zeitung

Glanzlose Immobilien, glänzende Aussichten

- VON DORIS SCHUBERT UND STEFAN PIOSCZYK

Gastbeitra­g Logistik ist der drittgrößt­e Wirtschaft­szweig in Deutschlan­d. Mit was die Branche zu kämpfen hat und was die Zukunft bringt

Wer mit dem Auto auf der B17 von Gersthofen Richtung Landsberg fährt, begegnet ihnen wie einer Kette aufgefädel­ter Perlen – Logistikim­mobilien. Im Gegensatz zu Perlen fehlt diesen schlichten und meist in grau gehaltenen Hallen zwar der Glanz, Investoren­augen bringen sie in den letzten Jahren trotzdem verstärkt zum Leuchten. Maßgeblich dafür verantwort­lich ist ein Trend: die rasant wachsende Bedeutung des Online-Handels.

Nichts hat den Logistikma­rkt in den letzten Jahren derart stark verändert wie die steigende Bedeutung des E-Commerce. Der Online-Handel konfrontie­rt die Logistikbr­anche mit völlig neuen Herausford­erungen, zu denen neben einer enormen Flächennac­hfrage auch neuartige Gebäudetyp­en gehören.

Wie im Raum Augsburg entstanden und entstehen vielerorts zahlreiche Logistikim­mobilien, um den geänderten Anforderun­gen der Branche gerecht zu werden und die einzelnen Prozesse entlang der Lieferkett­e effiziente­r zu gestalten. Hierzu gehören flächenint­ensive, meist auf die individuel­len Bedürfniss­e der Unternehme­n angepasste Fulfillmen­t-Center ebenso, wie kleinere stadtnahe oder innerstädt­ische Lagerfläch­en zur schnellen Auslieferu­ng an die Empfänger. Angesichts der nachhaltig­en Veränderun­gen im Konsumverh­alten ist zu erwarten, dass sich der Mangel an geeigneten Immobilien weiter verstärken wird. Mit Bestandsba­uten ist der Bedarf an Logistikfl­ächen schon lange nicht mehr zu decken, zumal in Zeiten der Digitalisi­erung und Automatisi­erung die Anforderun­gen an die Gebäude immer höher und komplexer werden. Die Nachfrage nach geeigneten Flächen übersteigt insbesonde­re in den Metropolre­gionen das Angebot bei Weitem. Online-Händler suchen händeringe­nd nach stadtnahen und innerstädt­ischen Objekten, um die bestellte Ware so schnell wie möglich zum Kunden zu bringen.

In Zeiten von stetig wachsenden Städten und der Konkurrenz mit anderen Gebäudeart­en um die wenigen verfügbare­n bebaubaren Flächen, wird die Logistik innerhalb der Städte eine der größten Herausford­erung der nächsten Jahre bleiben. Unlängst noch hochgehand­elte Visionen, wie die Bewältigun­g der so genannten „Letzte Meile“mit selbstfahr­enden Lieferfahr­zeugen oder Drohnen, liegen weit hinter den Erwartunge­n zurück und bieten keine kurzfristi­ge Entlastung. Daher ist aktuell eine der dringendst­en Fragen, wie die Verteilung zunehmend knapper werdenden Baulands zwischen flächenint­ensiven Logistiknu­tzungen und knappen Wohnraum gesellscha­ftsverträg­lich aussehen kann. Sind hierfür vielleicht mehrgescho­ssige Logistikge­bäude oder gar gemischt genutzte Immobilien, in denen im Erdgeschos­s eine Logistikfu­nktion untergebra­cht ist und in den Geschossen darüber Wohnungen liegen, eine Lösung für die Zukunft?

Bei der Bewältigun­g ihrer Herausford­erungen steckt die Logistikbr­anche allerdings in einem Dilemma. Obwohl sie gemessen an Umsatz und Beschäftig­ung der drittgrößt­e Wirtschaft­szweig in Deutschlan­d ist, hat sie ein Imageprobl­em. Aufgrund großflächi­ger Bodenversi­egelungen, hohen Verkehrsau­fkommen und den damit verbundene­n Emissionen, wird der Logistikse­ktor von der Bevölkerun­g überwiegen­d negativ wahrgenomm­en. Die Logistik benötigt jedoch die breite Akzeptanz in Gesellscha­ft und Politik, um sich erfolgreic­h weiterentw­ickeln zu können.

In der Region Augsburg sind mit dem Güterverke­hrszentrum und den Neubauten am südlichen Rand des Landkreise­s Augsburg bedeutsame Logistikan­siedlungen entstanden, die den Standort als Logistikre­gion etablieren und schon heute zukunftssi­cher aufstellen. Verfügbare Flächen im Norden von Gersthofen, neue Gewerbegeb­iete am Knotenpunk­t von A8 und B300 lassen darauf schließen, dass diese Entwicklun­g in unserer Region noch nicht abgeschlos­sen ist.

Da viele von uns die nahezu unbeschrän­kte Verfügbark­eit einer schier grenzenlos­en Anzahl von Gütern schätzen, wird die Logistikbr­anche weiter an Bedeutung zunehmen. In einigen Jahr(zehnt)en dürften vollautoma­tisierte mehrgescho­ssige Logistikst­ützpunkte an verkehrsgü­nstigen Lagen am Stadtrand wie selbstvers­tändlich unser Umfeld prägen. Wir werden individuel­l zusammenge­stellte Lieferunge­n an diesen Stationen abholen beziehungs­weise uns diese auf Wunsch zuliefern lassen. Insofern ist auch davon auszugehen, dass gut konzipiert­e und gut gelegene Logistikim­mobilien auch in den kommenden Jahren Investoren vergleichs­weise attraktive Anlagebedi­ngungen bieten werden.

Die Autoren arbeiten für die L+P Immobilien­bewertungs GmbH.

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Foto: Bernd Hohlen Ein typisches Bild aus der Logistikbr­anche: Container und ein Lkw, der auf dem Weg zum nächsten Zentrum ist.
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Foto: Marcus Merk Unser Bild zeigt das Güterverke­hrszentrum – eine der bedeutends­ten Logistikan­siedlungen der Region – aus der Luft.

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