Wie viel Schuld trägt Trump an den Gewalttaten?
USA Ex-Botschafter Kornblum wirft dem Präsidenten gefährliches Zündeln vor
Washington 22 Tote in El Paso, neun Tote in Dayton: Nach einem erschütternden Wochenende mit zwei Massakern wächst in den USA die Wut über den Rassismus im Land und das Versagen bei der Waffenkontrolle. Im Zentrum der Empörung steht vor allem einer: Donald Trump. „Hass hat keinen Platz in unserem Land, und wir werden uns darum kümmern“, sagte der USPräsident zwar. Doch trägt nicht er selbst eine Mitschuld an der Spaltung der Vereinigten Staaten? Zumindest der Attentäter von El Paso hat sich die Worte des Präsidenten zu eigen gemacht, als er in seinem Manifest die Tat als „Antwort auf die hispanische Invasion in Texas“darstellte. Manche kriminelle Einwanderer, sagte Trump im Mai vergangenen Jahres, seien „keine Menschen. Das sind Tiere.“
„Die Stimmung im Land ist gereizt“, sagt der frühere amerikanische Botschafter in Deutschland, John Kornblum, unserer Redaktion. Selbst wenn den Präsidenten keine direkte Schuld an den Amokläufen treffe, sei er zumindest mit verantwortlich. „Es ist ein bisschen, wie wenn man ein Streichholz neben einem Benzinkanister anzündet.“Eigentlich benötige Amerika gerade jetzt einen Präsidenten, der die Menschen beruhigen könne. „Stattdessen betont er die Differenzen“, sagt Kornblum. „Er scheint zu glauben, dass er mehr Zuspruch erhält, je weiter er nach rechts rückt.“Ob seine Basis das weiter mitträgt? Da ist auch John Kornblum ratlos: „Das kann niemand sagen.“
In Reihen der republikanischen Partei, der Trump angehört, herrscht bislang betretenes Schweigen. Allein Trumps amtierender Stabschef Mick Mulvaney holte zu einer aggressiven Verteidigung seines Chefs aus. Es sei „unverschämt“, Trump „für die Handlungen eines Verrückten verantwortlich zu machen oder zu unterstellen, der Präsident sympathisiere mit weißen Suprematisten“.
„Jeder Gewalttäter hat ein eigenes Motiv und ist für sein Handeln selbst verantwortlich“, betont hingegen Alexander Graf Lambsdorff. „Aber Trumps Sprache trägt zu einem Klima des Nationalismus und der Konfrontation in der amerikanischen Gesellschaft bei.“Es könne passieren, so der FDP-Außenpolitiker, dass sich Gewaltbereite und sogar Terroristen wie in El Paso dadurch in „ihren abstrusen Überzeugungen“bestärkt fühlen. „Das Amt des US-Präsidenten verleiht seiner Stimme ein besonderes Gewicht und geht deshalb auch mit einer besonderen Verantwortung einher“, mahnt Lambsdorff.
Seit Jahresanfang hat es laut einer Statistik der Organisation Gun Violence Archive in den USA mehr als 250 sogenannte „Mass Shootings“gegeben, also Fälle, bei denen mindestens vier Menschen durch Schusswaffengewalt verletzt oder getötet wurden. Rechnerisch ist das mehr als ein solcher Fall pro Tag. Bemühungen um schärfere Waffengesetze laufen seit Jahren ins Leere. Auch Trump ist gegen eine Einschränkung des Rechts auf Waffenbesitz, das in der US-Verfassung verankert ist.
„US-Präsident Trump weiß, wie wichtig das Thema Waffenbesitz bei seinen Wählern ist“, sagt USA-Experte Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „Das ist für viele Amerikaner eine Identitätsfrage.“Bramls Prognose: Trump werde versuchen, dieses heikle Thema dem Kongress unterzujubeln, wohl wissend, dass die Legislative in dieser Frage tief gespalten sei und sich viele Abgeordnete bei diesem heißen Eisen die Finger verbrennen könnten. „Es gibt viele, die seit Jahren schärfere Waffengesetze gefordert haben“, sagt Braml. „Viele von ihnen sind damit schon gescheitert.“
»Leitartikel und Politik