Bayerns Flaute bei der Windkraft
Umwelt Seit Jahren werden im Freistaat kaum Anlagen gebaut. Wo die Gründe liegen
Augsburg Der Ausbau der Windkraft in Deutschland ist ins Stocken geraten – und Bayern hat daran einen großen Anteil. Seit Jahren sinkt die Zahl der Windräder, die in die Landschaft zwischen Garmisch und Coburg gebaut werden. Im vergangenen halben Jahr wurde in Bayern kein einziges neues Windrad errichtet. Das zieht die deutsche Windkraft-Bilanz, die in diesem Jahr ohnehin historisch schlecht ausfällt, noch weiter nach unten. Experten sehen bereits das Gelingen der Energiewende gefährdet. Denn keine Technologie ist dafür so bedeutend wie die Windkraft.
In Bayern zeigt sich wie unter einem Brennglas, woran es beim Ausbau in Deutschland hakt: Die Genehmigungen stauen sich, gegen viele Vorhaben wird geklagt. Im Freistaat landen nach einer Studie des Bundesverbands Windenergie 40 Prozent aller angemeldeten Anlagen vor Gericht, meist geht es um den Naturschutz. Dazu kommt eine weitere Hürde: Seit 2014 gilt in Bayern die 10H-Regel. Der Abstand von Windrädern zu Orten muss demnach im Regelfall das Zehnfache der Höhe der Anlagen betragen. Meist sind das etwa zwei Kilometer.
Raimund Kamm empfindet den Stand des bayerischen WindkraftAusbaus als „desaströs“. Der Sprecher des Bundesverbands Erneuerbare Energien im Freistaat sagt: „In Bayern sind wir in den letzten drei, vier Jahren eingeschlafen.“Kamm beklagt, dass nicht ausreichend alternative Energien gefördert werden, um die Lücke zu schließen, die durch die Abschaltung großer Kraftwerke entstanden sei. „Bayern ist zum Stromimportland geworden“, sagt der ehemalige Landtagspolitiker. Und das, obwohl die Windräder durch neue Technologie noch einmal effizienter geworden seien, die Stromproduktion heute also deutlich ergiebiger ausfalle als etwa noch vor fünf Jahren.
Das sei ein Zustand, der kurzfristig tolerierbar sei, auf lange Sicht aber gefährlich werde. Aber mit 10H, befürchtet Kamm, werde dieser Ausbau nicht klappen. Matthias Grote ist einer ähnlichen Meinung. „10H ist keine praktikable Lösung“, sagt der bayerische Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie. Der ursprüngliche Gedanke, dass die Regelung für Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen solle, habe sich nicht bewahrheitet. Sandro Kirchner ist anderer Meinung. Der Politiker aus Bad Kissingen, der für die CSU im Landtag sitzt, ist ein Befürworter der Regelung: „Sie sorgt dafür, dass Windräder dort gebaut werden, wo sie auch gewollt sind.“Er schlägt vor, Anlagen zunächst einmal an jenen Standorten zu errichten, die nicht von der 10H-Regel betroffen sind.
Genau das hat Ministerpräsident Markus Söder zuletzt angekündigt. Die Staatsregierung will in den kommenden zwei bis drei Jahren 100 neue Windräder in den Staatsforsten hochziehen – weitab von Städten, Dörfern und kampflustigen Bürgerbewegungen. Der Vorstoß ist Teil des Klimaschutz-Feuerwerks, das der Ministerpräsident in den vergangenen Wochen gezündet hat – und zugleich eine komplette Abkehr von der Politik der vergangenen Jahre. Ob sich in den Staatswäldern jedoch 100 Standorte finden lassen, die nicht von der Regelung betroffen sind, ist noch umstritten.
Raimund Kamm findet trotzdem lobende Worte für den CSU-Politiker. „Markus Söder sieht die Zeichen der Zeit zumindest schon einmal verbal.“Das freue ihn. Nun müsse der Ministerpräsident aber für eine flächendeckende Akzeptanz in der Bevölkerung werben. „Wir werden uns an eine Landschaft mit Windrädern gewöhnen müssen“, sagt er. „Da ist Söder gefordert.“
Mehr zum Stocken der Energiewende lesen Sie in der Wirtschaft. Im Leitartikel geht es um den Klimaschutz – und die Debatte darüber.