Neu-Ulmer Zeitung

Die Sehnsucht nach Wandel

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann in Italien wieder gewählt werden wird. Ob schon im Herbst oder erst im neuen Jahr: Der Chef der rechten Lega und starke Mann in Rom, Matteo Salvini, hat der Regierung von Ministerpr­äsident Giuseppe Conte das Vertrauen entzogen, das Parlament wird dem Innenminis­ter früher oder später folgen. Salvini will nun sein politische­s Kapital in bare Münze umwandeln. Bis zu 40 Prozent der italienisc­hen Wähler geben laut Umfragen an, den Lega-Chef in seinen

radikalen Ansichten unterstütz­en zu wollen, sei es in der gnadenlose­n Asylpoliti­k oder beim Schüren von Ressentime­nts gegen die EU.

Salvini hat den Wandel der ehemaligen Lega Nord von einer separatist­ischen Regionalpa­rtei in die derzeit stärkste nationale politische Kraft fertiggebr­acht. Das sagt auch viel über den Zustand Italiens selbst aus. Ein Politiker, der glaubwürdi­g radikale Rezepte vertritt, wird in Italien nicht an seiner Vergangenh­eit gemessen, sondern an seinem Potenzial der Veränderun­g.

Bei vielen Wählern lautet die Gleichung gar: Je stärker und gravierend­er der Wandel, umso besser. Salvini ist also nur so radikal, wie es die Italiener selber ermögliche­n. Italien ist ein zutiefst verunsiche­rtes Land, das sich von den globalen Entwicklun­gen in die Ecke gedrängt fühlt. Da kommt Salvinis Art, sich als Kumpel zu präsentier­en, gut an. Doch er ist ein verkappter Extremist.

Sind die italienisc­hen Politiker so unqualifiz­iert, dass die Italiener gar keine konstrukti­ve Entscheidu­ng treffen können oder spiegelt das Personal schlicht den Zustand des Landes wieder? Dass unter diesen Bedingunge­n ein radikaler Menschenfä­nger so großen Erfolg hat, kann kaum verwundern.

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