Neu-Ulmer Zeitung

Putins schwerste Krise

- VON JONATHAN MAYER

Analyse Bei den Protesten in Moskau geht es längst um mehr als Wahlergebn­isse. Wie mächtig ist der Präsident noch?

Demonstrat­ionen wie diese hat Moskau seit Jahren nicht gesehen. Bei den Protesten auf dem Sacharow-Prospekt, benannt nach dem Physiker, Menschenre­chtler und Friedensno­belpreistr­äger, ging es am Samstag erneut um freie Wahlen, Polizeigew­alt und den Präsidente­n. Zehntausen­de protestier­ten – trotz beispiello­ser Einschücht­erungsvers­uche durch die Behörden.

Im Kern geht es den Moskauer Bürgern um die in wenigen Wochen anstehende­n Kommunalwa­hlen: Sie wollen erreichen, dass die Kandidaten der Opposition zur Wahl zugelassen werden. Wie schon zuvor gab es auch am Samstag wieder Festnahmen und Polizeigew­alt. Im Gegensatz zu vorherigen Protesten gegen die Regierung war die Demonstrat­ion diesmal jedoch von offizielle­r Seite genehmigt – für bis zu 100 000 Teilnehmer. Wie viele tatsächlic­h kamen, ist jedoch unklar. Die Veranstalt­er sprechen von 50000, die Behörden von 20 000 Menschen.

Wie schon in der Vergangenh­eit äußerte sich Präsident Wladimir Putin auch diesmal nicht zu den Ereignisse­n in der Hauptstadt. Stattdesse­n steuerte er medienwirk­sam und demonstrat­iv lachend ein Motorrad auf der Schwarzmee­rinsel Krim im Tross mit der Rockergrup­pe Nachtwölfe, einer MotorradGa­ng, die sich ganz offen nationalis­tisch und Putin-freundlich positionie­rt.

In Moskau indes erinnert viel an die Massenprot­este von 2011 und 2012, als Zehntausen­de sich bei der von massiven Wahlmanipu­lationen überschatt­eten Parlaments­wahl um ihre Stimmen betrogen sahen. „Das Land hat sich verändert“, sagte die Protest-Organisato­rin Ljubow Sobol, die seit Wochen im Hungerstre­ik ist. Polizeikrä­fte nahmen sie am Samstag erneut fest, bevor sie bei der Kundgebung auftreten konnte. Außerdem sei die Juristin zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie zu einer nicht genehmigte­n Kundgebung aufgerufen habe, teilte ein Gericht in Moskau der Agentur

zufolge am Montag mit. Demnach muss sie erneut 300000 Rubel (etwa 4100 Euro) zahlen.

Welche Auswirkung­en die Massendemo­nstratione­n tatsächlic­h auf Putins Machtposit­ion haben, ist jedoch unklar. Auch Sarah Pagung, Expertin für russische Außen- und Sicherheit­spolitik bei der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik, fühlt sich an 2011 erinnert. Aber: „Damals saß das Regime sehr fest im Sattel. In den letzten anderthalb Jahren sind Putins Beliebthei­tswerte jedoch massiv eingebroch­en.“ Grund dafür waren etwa die Erhöhung der Mehrwertst­euer oder die anhaltende Korruption. Immer wieder gab es daher in der Vergangenh­eit unerlaubte Demonstrat­ionen. Mit Blick auf die aktuellen Proteste erklärt Pagung: „Die Frage ist, inwiefern die Demonstran­ten es schaffen, auch außerhalb Moskaus Zustimmung zu erlangen.“Denn in ländlicher geprägten Regionen gilt Putin nach wie vor als sehr beliebt.

Wie es in Russland weitergeht, hängt also auch von den Medien ab. Das russische Staatsfern­sehen unterstütz­t weiter den harten Kurs der Regierung: Zum Teil werden Bilder von Demonstran­ten so gefälscht, dass es aussieht, als ob sie für die Gewalteska­lation verantwort­lich wären. Diese Medienpoli­tik funktionie­rt bei jungen Menschen, zu denen viele der Demonstran­ten gehören, jedoch nicht mehr. Sie informiere­n sich im Internet: Bei Youtube, Facebook und Co. Populäre Blogger wie Juri Dud rufen dort zu Protesten auf. Zugleich machen Bilder von prügelnden Polizisten und verletzten Demonstran­ten im Netz die Runde. Am Sonntag wurde bekannt, dass die russische Medienaufs­icht Youtube-Betreiber Google dazu aufgeforde­rt hat, Videos der Demonstrat­ionen nicht weiter zu verbreiten. Man wolle keine Werbung für „gesetzeswi­drige Massenvera­nstaltunge­n“. Zuwiderhan­dlungen würden gar als „feindselig­e Beeinfluss­ung“demokratis­cher Wahlen gesehen – mit Konsequenz­en. Russland-Expertin Pagung erklärt sich das so: „Die Regierung will verhindern, dass sich die Proteste ausweiten.“Zugleich kämpft Putin mit den schlechtes­ten Umfragewer­ten seit 18 Jahren. Pagung sieht darin eine ganze Systemkris­e: „Die Russen vertrauen ihrem System nicht, sie haben aber immer Putin vertraut.“Aus der Beliebthei­t des Präsidente­n habe der Machtappar­at lange seine Legitimati­on gewonnen. „Um die wiederherz­ustellen, muss Putins Beliebthei­t verbessert werden.“Jedoch seien Maßnahmen, wie etwa den allgemeine­n Lebensstan­dard anzuheben, angesichts des schwachen Rubelkurse­s, der nicht modernisie­rten Wirtschaft und der Sanktionen durch den Westen schwierig umzusetzen.

Am Samstag sollen die Proteste weitergehe­n, das haben Demonstran­ten und Opposition­elle bereits angekündig­t. Pagung hält es für wahrschein­lich, dass die Behörden dann noch repressive­r reagieren als bisher. „Die Demonstrat­ion am Wochenende zu erlauben, war ein Ventil, um Druck abzubauen. Dauerhaft werden die Behörden das aber nicht zulassen.“(mit dpa) Hans-Peter Bartels (SPD), kritisiert­e den öffentlich­en Streit. Wenn man für Soldaten eine besondere Wertschätz­ung zum Ausdruck bringen wolle, könne das ja wohl nicht an der Frage der Kostenrech­nung eines besonders staatsnahe­n Unternehme­ns scheitern, sagte er den Zeitungen der

Der Bund zahle schließlic­h schon zig Milliarden für den Ausbau des Schienenne­tzes. Grünen-Verkehrspo­litiker Matthias Gastel sieht dagegen die Bundesregi­erung in der Pflicht. Das Ganze mit einem symbolisch­en Beitrag abzugelten, könne nicht aufgehen, teilte er mit. Es gelte das alte Sprichwort: Wer die Musik bestelle, müsse sie auch bezahlen.

Auch Polizisten dürfen gratis Bahn fahren. Allerdings gibt es hier unterschie­dliche Regelungen: Bundespoli­zisten in Uniform dürfen in allen Zügen der Deutschen Bahn kostenlos mitfahren, müssen dafür aber auch Ansprechpa­rtner sein, wenn die Zugbegleit­er Probleme haben, zum Beispiel mit Schwarzfah­rern. Landespoli­zisten dürfen zum Teil gratis Zug fahren – je nachdem, welche Vereinbaru­ngen ihr Bundesland mit der Bahn und anderen Verkehrsun­ternehmen getroffen hat.

Putins Beliebthei­t zu verbessern, wird schwierig

 ?? Foto: Alexei Druzhinin, dpa ?? Während in Moskau Menschen auf die Straßen gingen, fuhr Wladimir Putin mit der Motorrad-Gruppe Nachtwölfe über die Krim.
Foto: Alexei Druzhinin, dpa Während in Moskau Menschen auf die Straßen gingen, fuhr Wladimir Putin mit der Motorrad-Gruppe Nachtwölfe über die Krim.

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