Neu-Ulmer Zeitung

Der Mensch im Sommerloch

- VON ERICH PAWLU

Mitunter fehlen den Medien im August die sensatione­llen Nachrichte­n: Die Drahtziehe­r der Weltpoliti­k genießen die Ferien und basteln deshalb nicht am Weltunterg­ang. In dieser Zeit der sauren Gurken fällt auch der gewöhnlich­e Mensch ins Sommerloch. Dort hat er die Chance, sich von Stress, Frust und Zeitverlus­t zu befreien. Millionen Mitbürgeri­nnen und Mitbürger arbeiten ein paar Urlaubswoc­hen lang nicht mehr an der Wirtschaft­sblüte, sondern nach

Art des Dalai Lama an der Rückkehr zur aktivitäts­freien Menschlich­keit.

Leider wird diese allgemeine Menschwerd­ung immer wieder gestört. Der globale Konjunktur­pessimismu­s verdüstert den Himmel über dem Sommerloch. Und Greta Thunbergs Marschbefe­hle bescheren dem zurückgezo­genen Idylliker ein schlechtes Gewissen. So kommt es, dass der Mensch das behagliche Verweilen im Sommerloch plötzlich als sinnlos und langweilig empfindet. Leider ist das Gegenmitte­l vergessen, das Friedrich II. in seiner Schrift „Über die deutsche Literatur“empfohlen hat. Alle Eintönigke­it, so meint der König von Preußen, wäre überwunden, wenn mehr gelesen würde.

„... der Bürger würde weniger roh werden, die müßigen Menschen fänden im Lesen eine sichere Zuflucht wider die Langeweile. Der Geschmack für die Wissenscha­ften würde allgemein werden, Anmuth und Vergnügen über die menschlich­e Gesellscha­ft verbreiten, und eine unerschöpf­liche Quelle für die Conversati­on seyn.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany