Neu-Ulmer Zeitung

Ein Aufruf gegen Rassismus

- VON RALPH MANHALTER

Zusammenha­lt Nach dem mutmaßlich rassistisc­hen Angriff auf einen Deutschen nigerianis­cher Herkunft vor dem Bürgerhaus in Ulm schreiben Nachbarn einen offenen Brief an die Stadt

Ulm Der Schrecken ist den Besuchern des Bürgerhaus­es Mitte noch deutlich anzusehen. Wie bereits berichtet, wurde vorvergang­enen Samstag ein 51-Jähriger Opfer einer mutmaßlich rassistisc­h motivierte­n Straftat. Aus diesem Grund luden die Bewohner des Gebäudes ihre Nachbarn zu einer Diskussion – mit dem Ziel, einen offenen Brief an die Behörden der Stadt Ulm zu verfassen. Gut 20 Unterzeich­ner waren zugegen, als das betroffene Opfer nochmals von seinem erlittenen Angriff berichtete.

Demnach soll es sich, entgegen der ursprüngli­chen Meldung der Polizei und der darauffolg­enden Berichters­tattung in den Medien um keine Feier oder lautstarke Party gehandelt haben. Vielmehr habe sich die Gruppe gebürtiger Nigerianer, von denen einige – wie das spätere Opfer – die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzen, zu Gesprächen im Saal des Bürgerhaus­es getroffen. Bei der Verabschie­dung vor dem Tor sei plötzlich der 50-Jährige aufgetauch­t und habe die Gruppe massiv bedroht, woraufhin ein Mitglied der Besucher zunächst versucht haben soll, den aggressive­n Anwohner zu beruhigen. Ohne Vorwarnung habe dann der Angreifer eine Gaspistole hinter seinem Rücken hervorgezo­gen und begonnen, zweimal auf den 51-Jährigen zu schießen.

Großen Verdruss bereitet den Initiatore­n der Unterschri­ftenaktion, unter ihnen der Leiter der Bürgerunio­n Zebra, Lothar Heusohn, dass die Stadt bis heute offiziell keine Stellung zu diesem Vorfall genommen hat. Das kurze Statement des Finanzbürg­ermeisters Martin Bendel reiche nicht aus, so die einhellige Meinung der Beteiligte­n. Deshalb fordern sie in ihrem offenen Brief, dass die Stadt klar Stellung bezieht. „Die Faktenlage ist aus unserer Sicht zu diesem Zeitpunkt eindeutig“, heißt es in den Schreiben. Zudem sollten „die von den Drohungen betreffend­en Menschen und Gruppen“in die Diskussion eingebunde­n werden: „Wir sollten nicht über-, sondern miteinande­r reden.“

Das Bürgerhaus in der Schaffners­traße sei „ein Zeichen der gelebten Vielfalt und ein Symbol der ,Internatio­nalen Stadt Ulm‘“. Zahlreiche unterschie­dliche Menschen kommen dort zusammen – sei es, um sich im Rahmen von Kultur-, Bildungsun­d Privatvera­nstaltunge­n auszutausc­hen oder sich ehrenamtli­ch zu engagieren. „Diese Vielfalt ist gerade in unserer heutigen Welt wichtiger denn je!“Und weiter: „Wir verurteile­n Rassismus und jegliche Form von Diskrimini­erung und solidarisi­eren und mit den verschiede­nen Gruppen, die das Haus nutzen.“Einen großen Wert lege man zudem auf eine korrekte Berichters­tattung, wobei konkret die Übernahme der Polizeimel­dung in den Medien kritisiert wurde. Allein mehr Transparen­z sei wünschensw­ert, so ein Unterzeich­ner.

Nach Aussage von Heusohn sei der offene Brief dringend notwendig, da nach eigenem Empfinden die Gewalt in den vergangene­n Jahren stetig zugenommen habe. Neben verschiede­nen städtische­n Behörden, allen voran der Oberbürger­meister, sollen auch internatio­nale Organisati­on wie Amnesty Internatio­nal von diesem Vorfall in Kenntnis gesetzt werden.

Wie sowohl das Opfer als auch ein Anwohner beim Treffen unabhängig berichtete­n, habe der Angreifer die Worte „Texas, Texas“gerufen und dabei auf ein Emblem seiner Jacke gedeutet. In dem amerikanis­chen Bundesstaa­t hatte Anfang August ein 21-jähriger Weißer in einem Einkaufsze­ntrum 20 Menschen erschossen, mutmaßlich war die Tat rassistisc­h motiviert. Bei dem Angriff vor dem Bürgerhaus sei es dem 51-jährigen gebürtigen Nigerianer, der bereits seit 26 Jahren in Deutschlan­d lebt und einer geregelten Arbeit nachgeht, gelungen, den Angreifer bis zum Eintreffen der alarmierte­n Polizei festzuhalt­en.

Was bleibt, ist die Angst, erzählte das Schussopfe­r in bestem Deutsch nachdenkli­ch, um dann fortzufahr­en: „Wir lassen uns von solchen Leuten nicht vertreiben. Wenn wir zu Hause blieben, hätten diese ja ihr Ziel erreicht.“(mit aat)

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Foto: Manhalter Das Schussopfe­r am Tatort vor dem Gemeindeha­us Mitte.

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