Bayerische Allianz gegen Juden-Hass
Initiative Vom Trachtler über den Jäger bis zum Beamten – wie der Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle mehr Aufmerksamkeit wecken und eine „Kultur des Hinsehens“entwickeln will
München Der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle (CSU) setzt im Kampf gegen die wachsende Judenfeindlichkeit auf die Unterstützung von Organisationen und Verbänden aus allen gesellschaftlichen Bereichen: Fast 60 Institutionen in Bayern hätten auf seine Initiative hin inzwischen ihre Unterstützung für die internationale anerkannte Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zugesagt, erklärte Spaenle. Darunter befinden sich etwa der Beamtenbund, der Landesschülerrat, der BUND Naturschutz, der DGB oder die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Auch die Bürgerallianz Bayern, in der 24 Verbände von den Sportschützen über Trachtler bis hin zu Jägern, Skisportlern und Imkern mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern zusammengeschlossen sind, gehöre zu diesem Bündnis.
Es gehe ihm darum, unabhängig von aktuellen antisemitischen Angriffen wie etwa kürzlich in München mit möglichst vielen Menschen und Organisationen über jüdisches Leben, jüdische Kultur aber auch über das Existenzrecht Israels ins Gespräch zu kommen, erklärte Spaenle: „Wir wollen die Aufmerksamkeit wecken.“Er sei dabei auf großes Interesse gestoßen, aber auch auf die Frage: Was hat das mit uns zu tun? Die offene Diskussion über diesen Einwand habe zu Gesprächen geführt „die bisher so nicht stattgefunden haben“, berichtete der frühere Schulminister. Dies reiche von einer Auseinandersetzung der Verbände mit ihrer eigenen Nazi-Geschichte bis zu Diskussionen über den konsequenten Umgang mit eigenen Mitgliedern, die antisemitische Ansichten äußern.
Spaenle räumte ein, dass eine Unterstützung der AntisemitismusDefinition keine verbindlichen Folgen hat. Der Freistaat Bayern hatte im Mai als erste Region in Europa den Text offiziell übernommen. Der Landtag werde wohl im Herbst folgen, hofft Spaenle. „Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens“, fordert Spaenle. So sei jeder Bürger aufgerufen, im Alltag antisemitischen Sprüchen von Arbeitskollegen, im Sportverein oder am Stammtisch entschieden entgegenzutreten: „Die Menschen müssen jeden Tag Zivilcourage zeigen“, verlangt er.
Muslimische Verbände habe er bislang noch nicht um Unterstützung gebeten, so Spaenle. Bei einigen muslimischen Institutionen sei er aber für Gespräche offen. Auf die bayerische AfD werde er hingegen nicht von sich aus zugehen, denn dort sei längst eine „braune Machtübernahme“im Gange, kritisierte der CSU-Politiker.
Wenige Tage zuvor hatte in München der jüdische Aktivist Terry Swartzberg eine eigene Kippa für die Landeshauptstadt entworfen – ebenfalls als Zeichen gegen Antisemitismus und für ein „angstfreies, fröhliches Judentum“. Die Kippa aus graufarbenem Filz ziert ein goldener Schriftzug „München“, der von Stolpersteinen gerahmt ist. „Sie sieht wirklich bayerisch aus“, beschreibt der 66-Jährige seine jüdische Kopfbedeckung. (mit dpa)