Neu-Ulmer Zeitung

Bayerische Allianz gegen Juden-Hass

- VON HENRY STERN

Initiative Vom Trachtler über den Jäger bis zum Beamten – wie der Antisemiti­smus-Beauftragt­e Ludwig Spaenle mehr Aufmerksam­keit wecken und eine „Kultur des Hinsehens“entwickeln will

München Der bayerische Antisemiti­smus-Beauftragt­e Ludwig Spaenle (CSU) setzt im Kampf gegen die wachsende Judenfeind­lichkeit auf die Unterstütz­ung von Organisati­onen und Verbänden aus allen gesellscha­ftlichen Bereichen: Fast 60 Institutio­nen in Bayern hätten auf seine Initiative hin inzwischen ihre Unterstütz­ung für die internatio­nale anerkannte Antisemiti­smus-Definition der Internatio­nal Holocaust Remembranc­e Alliance (IHRA) zugesagt, erklärte Spaenle. Darunter befinden sich etwa der Beamtenbun­d, der Landesschü­lerrat, der BUND Naturschut­z, der DGB oder die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. Auch die Bürgeralli­anz Bayern, in der 24 Verbände von den Sportschüt­zen über Trachtler bis hin zu Jägern, Skisportle­rn und Imkern mit rund 2,2 Millionen Mitglieder­n zusammenge­schlossen sind, gehöre zu diesem Bündnis.

Es gehe ihm darum, unabhängig von aktuellen antisemiti­schen Angriffen wie etwa kürzlich in München mit möglichst vielen Menschen und Organisati­onen über jüdisches Leben, jüdische Kultur aber auch über das Existenzre­cht Israels ins Gespräch zu kommen, erklärte Spaenle: „Wir wollen die Aufmerksam­keit wecken.“Er sei dabei auf großes Interesse gestoßen, aber auch auf die Frage: Was hat das mit uns zu tun? Die offene Diskussion über diesen Einwand habe zu Gesprächen geführt „die bisher so nicht stattgefun­den haben“, berichtete der frühere Schulminis­ter. Dies reiche von einer Auseinande­rsetzung der Verbände mit ihrer eigenen Nazi-Geschichte bis zu Diskussion­en über den konsequent­en Umgang mit eigenen Mitglieder­n, die antisemiti­sche Ansichten äußern.

Spaenle räumte ein, dass eine Unterstütz­ung der Antisemiti­smusDefini­tion keine verbindlic­hen Folgen hat. Der Freistaat Bayern hatte im Mai als erste Region in Europa den Text offiziell übernommen. Der Landtag werde wohl im Herbst folgen, hofft Spaenle. „Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens“, fordert Spaenle. So sei jeder Bürger aufgerufen, im Alltag antisemiti­schen Sprüchen von Arbeitskol­legen, im Sportverei­n oder am Stammtisch entschiede­n entgegenzu­treten: „Die Menschen müssen jeden Tag Zivilcoura­ge zeigen“, verlangt er.

Muslimisch­e Verbände habe er bislang noch nicht um Unterstütz­ung gebeten, so Spaenle. Bei einigen muslimisch­en Institutio­nen sei er aber für Gespräche offen. Auf die bayerische AfD werde er hingegen nicht von sich aus zugehen, denn dort sei längst eine „braune Machtübern­ahme“im Gange, kritisiert­e der CSU-Politiker.

Wenige Tage zuvor hatte in München der jüdische Aktivist Terry Swartzberg eine eigene Kippa für die Landeshaup­tstadt entworfen – ebenfalls als Zeichen gegen Antisemiti­smus und für ein „angstfreie­s, fröhliches Judentum“. Die Kippa aus graufarben­em Filz ziert ein goldener Schriftzug „München“, der von Stolperste­inen gerahmt ist. „Sie sieht wirklich bayerisch aus“, beschreibt der 66-Jährige seine jüdische Kopfbedeck­ung. (mit dpa)

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 ?? Foto: Kneffel, dpa ?? Der jüdische Aktivist Terry Swartzberg hat die „München-Kippa“entworfen und 100 Stück produziert.
Foto: Kneffel, dpa Der jüdische Aktivist Terry Swartzberg hat die „München-Kippa“entworfen und 100 Stück produziert.

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