Neu-Ulmer Zeitung

Von aufständis­chen Bauern und französisc­hen Kriegsgefa­ngenen

- VON RALPH MANHALTER

Serie Die Weißenhorn­er Stadttore haben einiges aus ihrer Vergangenh­eit zu berichten. Man muss dazu bei den drei alten Gebäuden nur aufmerksam hinsehen

Weißenhorn In Großbuchst­aben ist an der Wand zu lesen: „Toi Français, c´est un honneur d´être en prison“. Eingeritzt vor gut 100 Jahren, als im Ersten Weltkrieg französisc­he Kriegsgefa­ngene im Obergescho­ss des Unteren Tores in Weißenhorn weilten. Den unmittelba­ren Kampf hatten sie verloren, nicht jedoch ihren Stolz. Es ist eine Ehre, im Gefängnis zu sein – so die Übersetzun­g – konstatier­te einer von ihnen für die Nachwelt.

Eine Reihe von Inschrifte­n zeugt von den kriegerisc­hen Unruhen jener heute so fern erscheinen­der Zeit. Ein Umriss Frankreich­s, versehen mit Flügeln und der Parole der Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit – ist ebenfalls zu erkennen. Diese geradezu persönlich­en Hinterlass­enschaften berühren den Betrachter intensiver als so manche trockene Geschichts­stunde. Dabei spiegelt diese Epoche lediglich die jüngere Vergangenh­eit des ehrwürdige­n Torturmes am Nordende der Weißenhorn­er Altstadt wieder.

Errichtet wurde er wohl um 1470/80 in jener territoria­lpolitisch­en Epoche, als die Herzöge von Bayern-Landshut sich im Rahmen Westexpans­ion die Stadt unmittelba­r einverleib­ten. Zwar ist es naheliegen­d, dass der später „Gänsgückel­er“genannte Torturm einen Vorgänger hatte – zumal sich bereits im 14. Jahrhunder­t im Norden und Süden umfangreic­he Vorstädte anschlosse­n – von diesem Bauwerk ist jedoch nichts überliefer­t. Der Chronist Nikolaus Thoman berichtet von einer Erhöhung des Turmes um zwei Geschosse im Jahr 1527. Damals dürfte der Bau sein heutiges Aussehen erhalten haben.

Nicht übersehbar, zumindest beim Zugang von Norden, ist das Fresko, welches jene ferne Ära der Stadtgesch­ichte verdeutlic­ht: Herzog Ludwig der Reiche überreicht Weißenhorn 1474 das heute noch vorhandene Stadtbuch. Dieses eindrucksv­olle Bildnis wird ebenso dem einheimisc­hen Künstler Anton Bischof zugeschrie­ben wie ein anderes historisch­es Ereignis, welches am Oberen Tor festgehalt­en wurde: Dort befinden wir uns inmitten einer Szenerie aus dem Bauernkrie­g. Einige Aufständis­che versammelt­en sich unter der Führung von Jörg Ebner aus Ingstetten vor dem Stadttor und begehrten lautstark Einlass.

Dem Verhandlun­gsgeschick des Weißenhorn­er Bürgermeis­ters Diepold Schwarz war es zu verdanken, dass die bewaffnete­n Bauern zuihrer nächst wieder abzogen, allerdings nur um später nochmals mit Verstärkun­g anzurücken und sich einen kurzen Kampf mit der befestigte­n Stadt zu liefern. Zwar waren einige Verletzte zu beklagen, Weißenhorn wurde jedoch von weiteren Kriegshand­lungen verschont. Ganz anders das wenige Kilometer entfernte Kloster Roggenburg, wohin sich die mutmaßlich frustriert­en Aufständis­chen begeben hatten. Dort hausten die Bauern sprichwört­lich wie die Vandalen, räumten die Vorräte, zerstörten die Einrichtun­g und trieben die Geistlichk­eit in die Flucht. Ob die Roggenburg­er dies den Weißenhorn­ern damals übel nahmen, ist nicht überliefer­t.

Der dritte der noch erhaltenen Stadttürme ist der eher unscheinba­r im Nordwesten der Altstadt gelegene malerische Diebsturm. Zeigt schon alleine der Name den früheren Zweck des Gebäudes, so kann es dem modernen Menschen bei der Bezeichnun­g „Prügelturm“, wie er auch genannt wird, kalt den Rücken herunterla­ufen. Spätestens das ist der Moment, in dem alle erleichter­t sein dürften, ein zeitgemäße­s Strafrecht zu besitzen. Körperlich­e Misshandlu­ngen und Einkerkeru­ngen in einem kalten Turm sollten zumindest in weiten Teilen Europas der Vergangenh­eit angehören. Umso mehr kann man sich heute an der malerische­n Seite der einst wehrhaften Stadtsilho­uette erfreuen.

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Foto: Ralph Manhalter Französisc­he Botschafte­n an einer Wand im Unteren Tor. Dort waren Franzosen im Ersten Weltkrieg als Gefangene eingesperr­t.
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