Jugendliche randalieren auf Firmengelände
Ein Zeuge hat am Donnerstagabend beobachtet, wie drei Jugendliche im Alter von 14 Jahren zunächst Gegenstände gegen die Fassade einer Firma in der Neu-Ulmer Industriestraße warfen und anschließend eine Tür zum Gebäude eintraten. Nach der Tat flüchteten die Jugendlichen in Richtung Bahnhofstraße. Einer der Täter konnte wenig später im Bereich der Reuttier Straße festgenommen werden, weil der Zeuge der Polizei zufolge eine sehr detaillierte Personenbeschreibung abgeben konnte. Am Gebäude entstand ein Schaden von mindestens 150 Euro. Neu-Ulm Martin Scheible, der am 10. März 1873 in Neu-Ulm als Sohn des Gasthofbesitzers Martin Scheible und dessen Ehefrau Anna Maria Bühler geboren wurde, gilt als einer der in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bekanntesten und meistbeschäftigten Bildhauer in Ulm. Von seiner Hand stammen die Reliefs Adam und Eva, auch Geburt und Kreuzigung Christi an der Kanzel im Ulmer Münster, dazu ungezählte weitere Skulpturen in Ulmer und Württemberger Kirchen, auch die Weihnachtskrippe im Münster.
Schon im Alter von dreizehn Jahren hatte der angehende Künstler Scheible, der eigentlich Johann Martin hieß, eine Ausbildung zum Steinmetz an der Gewerblichen Fortbildungsschule Ulm bei Professor Karl Gregor Heyberger begonnen. Von Heyberger stammt die überlebensgroße weithin sichtbare Steinplastik des „Guten Hirten“auf einem Felsmassiv im Schelklinger Stadtteil Hütten im Alb-DonauKreis. Nach Abschluss seiner dreijährigen Ausbildung zog Scheible noch als Jugendlicher zunächst nach München, bald darauf weiter nach Berlin.
In der Reichshauptstadt arbeitete er mit an dem von Paul Wallot entworfenen und 1894 fertiggestellten Bau des Reichstagsgebäudes, in dem heute der Deutsche Bundestag eingerichtet ist. Nach Ende seines nun wiederum in München abgeleisteten zweijährigen Militärdienstes blieb Scheible in der Hauptstadt des damaligen Königreichs Bayern, studierte an der Akademie für Bildende Künste bei Professor Wilhelm von Rümann und eröffnete dort 1901 gemeinsam mit einem Freund ein Bildhaueratelier. In den Jahren 1905 und 1906 nahm er an den Jahresausstellungen der „Münchner Sezession“teil. Gerade 36 Jahre alt geworden, kehrte er nach seinen langen „Wanderjahren“an die Donau zurück. In Ulm gründete er nun sein Atelier für Bildhauerei und Gabmalkunst.
Hier setzte seine große Schaffensperiode ein. In Ulm schuf er 1912 mit 39 Jahren das mehr als fünf Meter breite allegorische Relief „Handel“. Es markiert das Eingangsportal zum von den Stuttgarter Architekten Eisenlohr und Pfennig im selben Jahr mit Jugendstilfassade fertiggestellten Kaufhaus Müller, heute Wöhrl-Plaza in der Hirschstraße 9. Dargestellt ist ein von stämmigen Pferden gezogener Kaufmannswagen, begleitet von zahlreichem Publikum. Das Kunstwerk war nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang hinter einer Abdeckung verborgen und erst mit der Renovierung der Kaufhausfassade vor einem Dutzend Jahren wiederentdeckt worden.
Ein gutes Vierteljahrhundert jünger als der Kaufmannswagen ist Scheibles Steinplastik von 1938 an der Sparkasse Neu-Ulm, Insel 13b. Symbolisch führt die Skulptur vor, wie Berufsgruppen und Generationen voneinander abhängig sind. Für die 1928 geweihte Ulmer MartinLuther-Kirche stellte Scheible Teile der Innenausstattung her. Die Skulptur Martin Luthers an der Kirchenfassade geriet dem Künstler allerdings etwas zu hoch, sodass die Haube zurückgestutzt werden musste. Für die Stadtkirche in Blaubeuren und die Christuskirche in Söflingen fertigte Scheible die Kruzifixe, für die Jakobuskirche in Grimmelfingen das Relief Kindersegnung „Lasset die Kindlein zu mir kommen“.
Scheible galt bald als Spezialist für Krieger- und Grabdenkmäler. Seine Arbeiten stehen im öffentlichen Raum, aber auch in Kirchen von Albstadt und Bernstadt, Dettingen unter Teck, Freudenstadt, Gammertingen, Geislingen an der Steige und Gerlingen, Illertissen, Isny, Laupheim, Reutlingen und an vielen weiteren Orten. In der evangelischen Kirche von Gönningen bei Reutlingen erinnert seit 1942 Scheibles „Samenhändlerdenkmal“an die 244 Gönninger Samenhändler, „die in Ausübung ihres Berufs in Rußland, Ungarn, Österreich, der Schweiz, in Dänemark und Amerika verstorben sind und nicht in die Heimat übergeführt wurden“. Zu beiden Seiten eines Kruzifixes zeigt es einen wandernden und einen mit dem Tod ringenden Samenhändler.
Klaus Kemmler, der selbst einer Samenhändlerfamilie entstammt und ein Buch über sie geschrieben hat, stellt zu der „beeindruckenden künstlerischen Dokumentation“Scheibles fest: „Es ist kein Denkmal für mutige und kühne Vorfahren, wie sie während des Krieges dem heldischen Ideal entsprochen hätten, sondern eher eins für die Mühseligen und Beladenen, die im offiziellen Totengedenken jener Zeit nicht vorkamen.“
Für die Weihnachtskrippe des Ulmer Münsters, die seit 1923 auf dem Kreuzaltar aufgestellt wird, schnitzte Scheible die Holzfiguren. Typisch für diese Art schwäbischer Heimatkrippen zeigt sie, wie der Afrikaner unter den drei Königen dem Jesuskind liebevoll und etwas verlegen eine Brezel anbietet. Scheibles intensive Beschäftigung mit sakralen Arbeiten führte ihn bald zur Württembergischen Landeskirche, zu deren Kunstbeauftragtem er offiziell berufen wurde. Mit Ludwig Ade und Ludwig Moos gründete Scheible 1919 die Ulmer Künstlergilde. Im Alter von 81 Jahren ist er 1954 gestorben. Er wurde auf dem Ulmer Hauptfriedhof beigesetzt, das Grab schon 1980 aufgelöst.
Scheible galt als Spezialist für Grabdenkmäler