So gelingt der perfekte Tagesstart
Interview Jörg Löhr war Handballer. Heute arbeitet der Augsburger als Persönlichkeitstrainer. Er sagt: Wer erfolgreich sein will, muss früh aufstehen und den Morgen richtig beginnen
Viele Menschen stehen auf, machen sich fertig für die Arbeit und verlassen das Haus. Wie starten Sie als Persönlichkeitstrainer in den Tag, Herr Löhr? Jörg Löhr: Ich starte mit bestimmten Morgenroutinen. Ich schneide mir als erstes Zitronen, die ich ins Wasser lege. Anschließend trinke ich zwei Gläser 0,3 Liter des Zitronenwassers. Danach setze ich mich, sofern meine Familie noch schläft, und trinke eine Tasse Kaffee. Nebenbei nehme ich mir meinen Tagesplan vor. Ich gehe die wichtigsten Aufgaben des Tages durch. Danach gehe ich zum Laufen und dusche, wie die meisten Menschen auch. Bin ich damit fertig, frühstücke ich mit meiner Familie und fahre dann zum Seminar oder ins Büro. Von dieser Morgenroutine weiche ich nur an freien Tagen oder manchmal am Wochenende ab.
Ihr Morgen scheint wie automatisch abzulaufen. Was bringt Ihnen diese Morgenroutine?
Löhr: Morgenroutinen helfen dabei, neue Verhaltensweisen in seinen Tag zu integrieren – im Idealfall Verhaltensweisen, die zielführend sind. Nehmen wir Sport als Beispiel: Wäre es mein Ziel, sportlicher zu werden, dass ich mich morgens beim Blick in den Spiegel besser fühle, müsste ich beispielsweise drei oder viermal in der Woche joggen gehen. Dann könnte eine Routine sein, dass ich bereits am Vorabend meine Laufschuhe rauslege. Morgens stehe ich auf und muss dann keine Entscheidungsenergie und keine Willenskraft mehr aufwenden, um laufen zu gehen. Ich habe mich bereits am Vorabend dafür entschieden. Dann wäre das Laufen eine Morgenroutine, mit der ich auf mein Ziel, sportlicher zu werden, hinarbeite.
Das hört sich in der Theorie einfach an. Wie lange benötigt ein Mensch, um eine solche Routine zu entwickeln? Löhr: Die Wissenschaft sagt, dass man im Durchschnitt 66 Tage benötigt, um eine Routine zu entwickeln. Dann wird sie zu einer Gewohnheit und läuft automatisch ab.
Das ist im Prinzip ähnlich wie an Silvester. Viele Menschen nehmen sich neue Ziele für das kommende Jahr vor – und halten keine zwei Wochen durch. Wieso scheitern solche Vorhaben so oft? Löhr: Um ein diszipliniertes Verhalten aufzubauen, gibt es drei Bausteine: Motivation, Willenskraft und Gewohnheiten. Die meisten Leute überlegen sich kurz vor Silvester, was sie für das neue Jahr ändern wollen. Zu diesem Zeitpunkt haben sie eine hohe Motivation. Die ist wie ein Streichholz. Es brennt sehr hell, aber geht auch sehr schnell wieder aus. Dasselbe passiert auch mit den Menschen, die zwei Wochen trainieren gehen und dann zu Hause bleiben, weil die Motivation fehlt. Kommt ein Ereignis außerhalb der Norm dazwischen, fallen sie meistens in ihre alten Gewohnheiten zurück. Deswegen ist es wichtig, die Motivation zu nutzen, um etwas zu entscheiden und die Willenskraft zu verwenden, um sich neue Routinen anzueignen. Wenn ich die kontinuierlich durchziehe, brauche ich irgendwann keine Willenskraft mehr, um die gewünschte Verhaltensweise auszuführen.
Sie sprechen viel von Willenskraft. Und davon, dass eine Routine quasi keine Willenskraft mehr braucht. Was bedeutet das?
Löhr: Eine leere Batterie haben wir alle schon einmal erlebt. Wenn man beispielsweise am Abend sagt: „Ich kann nicht mehr. Ich habe keine Energie mehr. Ich habe keine Motivation mehr.“Man kann sich die Willenskraft wie eine aufladbare Batterie vorstellen. Wenn ich etwas willentlich entscheide, verbraucht das Batterie. Im Laufe des Tages ist der Akku irgendwann aufgebraucht. Wenn ich aber mit Routinen anfange, brauche ich dafür eben keine Willenskraft mehr und kann sie für wichtige Entscheidungen aufbewahren. Dies ist wie beim Zähneputzen, wo ich auch keine Willenskraft aufwenden muss. Der Akku der Willenskraft lädt sich bei einem gesunden und guten Schlaf wieder auf.
Ist ausreichend Schlaf wichtig, um erfolgreich in den Tag zu starten?
Löhr: Genügend Schlaf ist wichtig, um die Qualität der Batterie zu verbessern und mehr Willenskraft zu entwickeln, um Dinge tagsüber ins Handeln zu bringen. Neben dem Schlaf gibt es zwei weitere Faktoren, die Auswirkungen auf meine Handlungen haben: das Training, mental und körperlich, sowie eine gesunde Ernährung.
Viele Podcaster oder Youtuber, die sich mit dem Thema Motivation beschäftigen, empfehlen, am Morgen nach dem Aufstehen beispielsweise auf das Smartphone zu verzichten – keine Nachrichten zu checken, nicht auf Instagram zu scrollen, sondern sich mit sich selbst zu beschäftigen. Nun haben Sie Ihre eigene Morgenroutine geschildert. Was können denn gute Morgenroutinen sein, um einen erfolgreichen Tag zu haben?
Löhr: Man muss das finden, was produktiv für einen ist. Nimmt man das Smartphone am Morgen in die Hand, ist man relativ schnell fremdbestimmt. Ich schaue, wer hat was geschrieben, wer hat etwas gepostet. Aber das ist in der Regel nicht sonderlich produktiv im Sinne der eigenen Ziele und der eigenen Vision. Deshalb sollte man überlegen, was tut mir gut und was ist für meine Ziele hilfreich. Wenn ich beispielsweise ein Online-Produkt auf den Markt bringen will, muss ich mir überlegen, was ist dafür hilfreich. Früher aufzustehen kann durchaus sinnvoll sein, um mein Online-Produkt zu entwickeln und zu verbessern. Somit schaffe ich die Gewohnheit, um mich jeden Morgen darum zu kümmern. Und das mit der größten Energie, um dieses persönliche Ziel von mir voranzutreiben. Gerade erfolgreiche Menschen haben sich immer wieder erfolgreich Routinen und Gewohnheiten angeeignet.
Was heißt erfolgreich sein?
Löhr: Ich stimme mit der Definition aus dem Lexikon überein. Es bedeutet das Erreichen von persönlichen Zielen. Deshalb sollte ich mir im ersten Schritt klar werden, was sind meine Ziele, die mir auch Motivation geben.
In einer Umfrage zu Morgenroutinen unter erfolgreichen Menschen, TopManagern, Schauspielern und Sportlern, gaben 90 Prozent an, früh am Morgen aufzustehen. Ist das neben funktionierenden Routinen die Erfolgsformel?
Löhr: Viele erfolgreiche Menschen sind früh wach. Stehe ich um 5 Uhr oder um 5.30 Uhr auf, um meine Morgenroutine durchzuführen, ist das etwas anderes als gegen acht Uhr oder neun Uhr aufzustehen. Mancher gibt sich dann noch eine Folge Netflix und plätschert dann so in den Alltag hinein. Menschen, die diszipliniert in den Tag starten – mit Routinen, mit wichtigen Aufgaben – haben gegenüber den anderen schnell einen Vorsprung von einigen Stunden. Das ist natürlich in der heutigen Zeit eine Riesensache.
Interview: Julian Würzer
Jörg Löhr
ist Managementund Persönlichkeitstrainer. Früher war er Handballer und ist 94-facher Nationalspieler.