Grummeln an der Basis
Fußball Der designierte DFB-Chef Keller stellt sich den Vertretern der Amateurverbände und Profi-Klubs vor. Ligapräsident Rauball feiert einen freiwilligen Abschied
Berlin Nach „schlaflosen Nächten“in Freiburg wird Fritz Keller bei der offiziellen Vorstellung als Präsidentschaftskandidat zum Berliner HotelHopper. Die nur 800 Meter lange Fahrt von einer Luxusherberge zur nächsten verdeutlicht dem designierten DFB-Chef dann auch gleich seine künftig wohl schwerste Aufgabe. Statt mit einem gemeinsamen Tagungsort zumindest ein Symbol für eine Annäherung der Konfliktparteien im deutschen Fußball zu senden, bitten Amateur- und Profivertreter aus logistischen Gründen den 62-Jährigen an unterschiedlichen Orten zu separaten Vorstellungsgesprächen.
Der Graben zwischen den Fußball-Fraktionen ist trotz der Bekundungen einer Annäherung nach den turbulenten April-Tagen mit dem Rücktritt des ungeschickten wie glücklosen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel immer noch tiefer als der Landwehrkanal, der die Sitzungsorte der Spitzenfunktionäre von Amateuren und Profis im Herzen der Hauptstadt trennt. Das verdeutlicht auch das Grummeln vor allem an der ostdeutschen Basis, die traditionell Schwierigkeiten mit der Entscheidungskultur in der DFBSpitze hat. Richtig deutlich wurde die chancenlose alternative Bewerberin Ute Groth, die dem DFB vorhielt, Kellers Nominierung sei wieder „im Hinterzimmer ausgekaspert“worden.
Keller will sich erst nach den beiden Antrittsterminen am Mittwoch zu seinem künftigen Programm als oberster Fußball-Repräsentant des Landes öffentlich äußern. Bislang sprach er nur vor den FreiburgFans zum Saisonauftakt im Stadion und berichtete, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen sei, den Bundesliga-Klub im Breisgau nach seiner erwarteten Wahl zum DFBChef am 27. September zu verlassen. Mehrere Nächte sei er nicht zur Ruhe gekommen. Die Aussagen der Interims-Verbandsführung verdeutlichen derweil schon, was man von dem Spitzen-Winzer und prämierten Gastronomen vom Kaiserstuhl nun erwartet.
Ligapräsident und DFB-Vize Reinhard Rauball, der, so will es der schon lange festgezurrte Terminplan, am Mittwoch kurz vor der Keller-Präsentation aus seinem Amt als Spitzenmann der Profivertretung ausscheidet, ist von Keller „über alle Maßen fachlich und charakterlich überzeugt“. AmateurBoss Rainer Koch, der mit Rauball die Findungskommission anführte, ist auch euphorisch ob der Befähigung des nächsten DFB-Chefs: „Er kann Menschen zusammenbringen, das gesamte Spektrum des deutschen Fußballs repräsentieren und insbesondere gleichermaßen für die Interessen des Profi- und des Amateurfußballs eintreten“, sagte der DFBVize über den Klubpräsidenten des SC Freiburg.
Bei all den Lobpreisungen fragt man sich, warum Keller bislang nur Hinterbänkler unter den FußballFunktionären war. Ob er die Kraft zum Reformer hat, wird sich zeigen müssen, denn er war in den vergangenen Jahren auch Teil des Systems, das durch WM-Skandal und die diversen Fehltritte an der Verbandsspitze in Schieflage geriet. Für die DFL, deren Aufsichtsrat er angehört, sitzt er im DFB-Vorstand. Als revolutionärer Querdenker ist Keller bislang nicht in Erscheinung getreten. Ein Näschen hatte er offenbar in der Causa Grindel. Bei dessen erster Wahl 2016 stimmte er nicht für den Verbandschef. Durch den Fokus auf Keller gerät eine andere Top-Personalie fast aus dem Blickwinkel. Noch bevor Keller vor die Profi-Vertreter tritt, scheidet deren geschätzter Anführer Rauball nach zwölf Jahren aus dem Amt als Ligapräsident. Rauballs Abschied widerspricht dem Trend des letzten Jahrzehnts in den deutschen Führungsgremien. Selbstbestimmte Amtsniederlegungen waren die Ausnahme. Der letzte DFB-Präsident, der ohne Querelen oder Skandal aus dem Amt ging, war Kellers Vorvorvorvorgänger Egidius Braun Anfang des Jahrtausends. Die Profis sind dem Dachverband voraus.