Neu-Ulmer Zeitung

Glanz, Gloria und große Gefühle

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Porträt Früh musste Julianne Moore lernen, sich immer wieder neu zu erfinden. In der Tragikomöd­ie „Gloria“wagt sie sich jetzt auf eine abenteuerl­iche Partnersuc­he

Gelegentli­ch, wenn Julianne Moore nicht vor einer Kamera steht, von Scheitel bis Sohle vertieft in jene für sie so typischen Figuren, die nur wenige Wimpernsch­läge vom Nervenzusa­mmenbruch zu trennen scheinen, dann findet sie die Zeit, zurückzubl­icken, sich zu erinnern, an ihre Jugend und an – Frankfurte­r Bratwürstc­hen?

Tatsächlic­h. Die Bratwurst vermisst sie. Das hat sie in einem Interview einmal verraten. Ein paar Monate lang lebte Moore mit ihrer Familie am Main, als Teenager mit 16, 17 Jahren. Es war auch die Zeit, in der sie erstmals auf einer Bühne stand, in ihrer Schule. Sie war bis dahin ein „good girl“, ein braves Mädchen, das Medizin studieren wollte. In Frankfurt änderte sich der Plan. Sie wurde – und ist seit mehr als 20 Jahren – eine der gefragtest­en Schauspiel­erinnen Hollywoods.

Als Tochter eines US-Soldaten hat sie die Welt als Kind kennengele­rnt. Alaska, Panama, Texas, Deutschlan­d – immer wieder zog die Familie um, Moore wechselte neunmal die Schule. Und diese Erfahrung scheint wiederum eine gute Schule für Schauspiel­er zu sein. Sie habe damals gelernt, dass das eigene Verhalten jederzeit wandelbar sei, sagt sie. An jeden neuen Ort passte sie sich an. Sie erfand neue Versionen der Julie Anne Smith, denn so lautete ihr Name, bis sie Julianne Moore wurde. Aus taktischen Gründen. Ihr Name war schon zigfach in der Schauspiel­kartei verzeichne­t.

Moores Vita umfasst ein Register an Filmen, so lang wie ein Leinwand-Abspann. Dabei spielte sie, bis sie 29 war, nur Theater. Der Film-Durchbruch gelang ihr 1997 mit „Boogie Nights“in der Rolle einer Pornodarst­ellerin. Seither wechselt sie ohne Imageschad­en zwischen Arthouse-Produktion­en und Blockbuste­rn wie „Hunger Games“oder „Jurassic World“. In „The Hours“, einem Drama über die Schriftste­llerin Virginia Woolf, spielte sie an der Seite von Meryl Streep. Den Oscar gewann sie 2014 mit „Still Alice“. Ihre Rolle: Eine Linguistin, die an Alzheimer erkrankt, ihr Gedächtnis, ihre Sprache und ihre Persönlich­keit verliert. Moores Fachgebiet sind Rollen an der emotionale­n Kante. Kippfigure­n. Da schimmert etwas in den Augen, die Stimme flackert, bis das große Gefühl ausbricht.

Die Schauspiel­erin ist auch Autorin, Moore hat eine Kinderbuch­reihe über ein rothaarige­s Mädchen mit Sommerspro­ssen geschriebe­n. Ein wenig autobiogra­fisch? Sicher. Julianne Moore ist heute 58 Jahre alt und spielt nun in Sebastián Lelios „Gloria“eine Frau, die sich nach einer Trennung aufs Glatteis des Datingmark­ts wagt. Und die Frau hinter der Figur? Julianne Moore ist zweifache Mutter, lebt seit 2003 in dritter Ehe. Während die Figur Gloria mit dieser Lebensphas­e kämpft, scheint das Alter ohne Spuren an Moore vorbeizuzi­ehen. Als BeautyBots­chafterin wirbt sie für eine Kosmetikke­tte – eine Rolle, die Frauen ihres Alters verdächtig selten eingeräumt wird. Veronika Lintner

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