Neu-Ulmer Zeitung

„Wir brauchen Rückenwind für Öko-Autos“

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Interview CDU/CSU-Fraktionsv­ize Andreas Jung spricht sich gegen die Einführung einer CO2-Steuer für mehr Klimaschut­z aus. Was er stattdesse­n vorschlägt und wie er dabei die Bürger entlasten will

Herr Jung, Sie erarbeiten gemeinsam mit dem CSU-Kollegen Georg Nüßlein das Klimapapie­r der Unionsfrak­tion. Wie dick ist das Brett, das Sie zu bohren haben?

Andreas Jung: Das ist ein dickes Brett. Wir sollen einen Vorschlag dafür machen, wie wir durch ein starkes Klimaschut­zgesetz mit Instrument­en und Maßnahmen die Lücke schließen, die zwischen selbst gesteckten Zielen und Erreichtem entstanden ist. Das ist schon eine große Aufgabe. Im September werden wir ein Konzept vorlegen.

Die Wähler fragen sich, ob die Union auch die Einführung einer CO2-Steuer unterstütz­en wird? Bundesumwe­ltminister­in Schulze von der SPD will eine solche Abgabe einführen.

Jung: Es gibt in der Union eine breite Tendenz für den Zertifikat­ehandel. Auch in den Bereichen Verkehr und Wärme müssten dann für CO2-Ausstoß Papiere gekauft werden. Die Wirtschaft­sweisen sehen darin das wirksamste Klimaschut­zinstrumen­t, weil Ziele verlässlic­h erreicht werden können. Bei der Steuer weiß ich zwar, was es kostet, nicht aber, was wirklich an CO2 eingespart wird. Das beste Beispiel ist die Ökosteuer. Für die Rentenkass­e war sie top, für den Klimaschut­z eher ein Flop!

Wie sähe der Zertifikat­ehandel konkret aus?

Jung: Wir würden mit einem eigenen System starten. Dabei sollen nicht etwa Autofahrer beim Tanken oder die Hausbesitz­er bei der Heizöllief­erung Zertifikat­e brauchen, sondern wir würden bei denen ansetzen, die Brennstoff­e auf den Markt bringen, bei Raffinerie­n. Das wäre ein Markt mit etwa 120 Teilnehmer­n in Deutschlan­d und damit eine überschaub­are Zahl. Später könnte unser nationales System an den europäisch­en Handel mit CO2-Verschmutz­ungsrechte­n anknüpfen.

Die Landwirtsc­haft ist nicht mit dabei. Bleibt es für Bauern und Verbrauche­r, wie es derzeit ist?

Jung: In der Landwirtsc­haft ist die Sache viel differenzi­erter. Wir müssten tatsächlic­h auf den einzelnen Hof schauen, wie viel Klimagase entstehen. Vom Ausstoß bei der Tierhaltun­g müssten dann zum Beispiel Felder und auch Wälder abgezogen werden, weil sie CO2 speichern. Das ist sehr komplex. Deshalb bin ich dafür, dass CO2-Bindung in Wäldern honoriert wird, aber dagegen, die Landwirtsc­haft beim Emissionsh­andel mit zu veranlagen.

Was muss in diesem Bereich dann passieren?

Jung: Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner hat dazu Vorschläge gemacht. Da geht es um den Erhalt von Wäldern und Mooren, um die Begrenzung von Stickstoff­en und Emissionen, um mehr Grünland und Öko-Landbau. Aus meiner Sicht sollten im Sinne einer weniger intensiven Landwirtsc­haft gerade die flächengeb­undenen bäuerliche­n Familienbe­triebe gestärkt werden.

Zur Mobilität: Werden künftig mehr Menschen das Auto stehen lassen und Busse und Bahnen benutzen, um von A nach B zu kommen?

Jung: Für uns ist sehr wichtig, dass wir die Menschen mitnehmen. Veränderun­gen sind nötig, aber sie müssen auch möglich sein. Sie dürfen nicht auf einen Schlag kommen, sondern schrittwei­se bis 2030. Der öffentlich­e Nahverkehr muss natürlich viel besser werden. Ich wohne heute auf der Insel Reichenau und schaue über den Bodensee auf die kleine Schweizer Gemeinde Ermatingen. Da fährt der letzte Zug nach Konstanz um 0.34 Uhr. Aufgewachs­en bin ich in der Stadt Stockach, da geht der letzte Zug nach Radolfzell um 21.16 Uhr. Damit kann man keinen Abendtermi­n wahrnehmen. Wir brauchen von früh morgens bis spät abends ein gutes Angebot.

Wie steht es um die Elektro-Autos in Ihren Vorstellun­gen?

Jung: Wir brauchen Rückenwind für Öko-Autos. Damit meine ich alle klimafreun­dlichen Autos, ElektroFah­rzeuge, aber auch andere, die zum Beispiel mit Wasserstof­f oder mit synthetisc­hen Kraftstoff­en fahren. Das beginnt beim Erwerb, da haben wir die Kaufprämie. Es geht weiter bei der Kfz-Steuer, die wir ganz auf CO2 ausrichten sollten. Und wir haben Handlungsb­edarf bei der Infrastruk­tur, gerade im ländlichen Raum – das gilt für E-Ladesäulen und für Wasserstof­f gleicherma­ßen. Das müssen wir noch stärker unterstütz­en.

Pendler befürchten, dass Autofahren künftig deutlich teurer wird. Was sagen Sie diesen Menschen?

Jung: In Frankreich war eine Erhöhung der Spritpreis­e Auslöser für die Gelbwesten-Bewegung. Auch bei uns sind viele Menschen beim Weg zur Arbeit auf das Auto angewiesen. Ich denke an die Krankensch­wester, die im Konstanzer Krankenhau­s arbeitet und mit ihrer Familie auf dem Land wohnt. Für diese Menschen brauchen wir Antworten. Sie sollen keine Nachteile haben, aber Anreize bekommen. Dazu müssen wir die Pendlerpau­schale für alle weiterentw­ickeln und zusätzlich klimafreun­dlich ausgestalt­en. Bisher gibt es ja immer 30 Cent pro Kilometer, egal was es wirklich kostet. Die Pendlerpau­schale kann so gestaltet werden, dass die Entscheidu­ng für ein umweltfreu­ndliches

„Bei einer Steuer weiß ich nicht, was wirklich an CO2 eingespart wird.“Andreas Jung „Der Umstieg auf Bus und Bahn könnte stärker belohnt werden.“Andreas Jung

Auto oder der Umstieg auf Bus und Bahn stärker belohnt wird.

In Deutschlan­d haben wir die höchsten Strompreis­e in Europa. Die Wirtschaft hat dem Kohleausst­ieg nur zugestimmt, weil ihr eine Entlastung beim Strompreis im Umfang von zwei Milliarden Euro pro Jahr versproche­n wurde. Im Konzept von Wirtschaft­sminister Altmaier findet sich dazu aber nichts. Werden Sie Vorschläge machen, wie Unternehme­n und Verbrauche­r entlastet werden können?

Jung: Dazu haben wir sehr konkrete Überlegung­en. Wir würden gerne die Einnahmen aus dem Zertifikat­ehandel einsetzen, um die Stromkunde­n zu entlasten, indem wir die Ökostromum­lage abbauen. Das würde Bürger und Betriebe entlasten. Interview: Christian Grimm

Andreas Jung, 44, ist Jurist. Er lebt auf der Bodensee-Insel Reichenau und gehört seit

2005 dem Bundestag an. 2018 wurde er zum stellvertr­etenden Vorsitzend­en der CDU/CSU-Fraktion gewählt.

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Archivfoto: Ulrich Perrey, dpa Durch einen Zertifikat­ehandel mit den Raffinerie­n soll auch der CO2-Ausstoß im Straßenver­kehr verringert werden, stellt sich CDU-Politiker Jung vor.
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