Schöner Schwung
Ach so! Schreiben ist das eine, besonders schön schreiben das andere. Diese Kunst nennt sich Kalligrafie. Vier Kinder haben in einem Kurs für Kalligrafie Federn in die Hand genommen
Tief beugt sich Borys über das Papier. Vorsichtig zeichnet er mit Tinte die verschnörkelten A’s nach. Langsam wird er sicherer, die Feder kratzt rau über das Papier. Je schwungvoller der Zehnjährige die Buchstaben zeichnet, desto perfekter werden sie. „Man muss in den richtigen Flow kommen“, sagt Chiara Attanasio.
Mit Flow meint sie: völlig in einer Tätigkeit versinken. Chiara Attanasio ist Kalligrafin, also Expertin fürs schöne Schreiben und gibt dazu Kurse. „In der Schule muss es immer schnell gehen, da kann man gar nicht so sehr auf die Handschrift achten“, sagt sie.
„Manchmal weiß man nicht, wo man anfangen soll“
Die zehnjährige Grace zeichnet und malt sehr gerne und interessiert sich für kunstvolle Schriften. Auch sie hält heute das erste Mal eine Feder in der Hand. Sie steckt die Spitze an den Federhalter und tunkt sie behutsam ins Tintenfass. „Wie in der guten, alten Zeit“, sagt sie und lacht.
Tatsächlich sind viele berühmte Schriften Jahrtausende alt, stammen zum Beispiel aus der Römerzeit. Chiara Attanasio zeigt den Kindern verschiedene Alphabete und wie einst geschrieben wurde. Einfach ist es nicht, diese kunstvollen Buchstaben nachzuzeichnen. „Bei manchen weiß man gar nicht, wo man am besten anfangen soll“, sagt Borys. „Das muss man üben, üben, üben“, sagt die Kalligrafielehrerin. Zuerst zeichnen die Kinder einfach drauflos: dünnere, dickere, längere, kürzere, geschwungene, zarte und fette Striche. Als der achtjährige Baltasar einmal zu fest aufdrückt, spritzt ihm die Tinte auf die Schürze. „Das macht nichts, hier geht es drum, Spaß zu haben“, sagt Chiara Attanasio. Sie selbst hat schon in der Grundschule stundenlang schöne Buchstaben gezeichnet. Heute hat sie das alte Handwerk der Kalligrafie zu ihrem Beruf gemacht. Sie beschriftet zum Beispiel Schaufenster, arbeitet als Postkartendesignerin und entwirft sogar Tattoos.
Beim Schönschreiben lernt man ganz viel
Schade findet es Chiara Attanasio, dass Kinder heute oft keine richtige Schreibschrift mehr in der Schule lernen und es das Fach „Schönschrift“nicht mehr gibt. „Dabei lernt man beim richtigen Schreiben so viel.“Wichtig sei, Stift oder Feder richtig zu halten und nicht zu verkrampfen. „Man muss sich konzentrieren und findet irgendwann seinen Rhythmus und seine ganz eigenen Formen“, sagt sie.
Grace, Josephine, Borys und Baltasar sind nun ganz vertieft. Die Buchstaben fließen schon ganz locker aus dem Handgelenk. Die runden O’s und spitzen M’s reihen sich wie kleine Kunstwerke aneinander. Mit schöner Schrift macht Schreiben einfach mehr Spaß. „Viel mehr Spaß, als daheim schnell Hausaufgaben zu schreiben“, sagt Grace. Sie hat sich die Geschichten um den Zauberschüler Harry Potter ausgedacht: die Schriftstellerin Joanne K. Rowling. Die Frau hat noch andere Bücher geschrieben. Sie hat eine Menge Ideen in ihrem Kopf und kann gut erzählen.
Aber wie wäre es, wenn sich kein Mensch eine neue Geschichte über Harry Potter ausdenken würde? Sondern ein Computer! Fachleute haben das ausprobiert. Dabei geht es um eine Technik, die sich Künstliche Intelligenz nennt, kurz KI. Gemeint ist damit, dass ein Computerprogramm versucht, menschliches Denken nachzuahmen. Und dabei immer dazulernt. Wissenschaftler fütterten ein Schreibprogramm mit Informationen. Zum Beispiel wie Frau Rowling schreibt, welche Art von Wörtern sie benutzt und welche Länge etwa ihre Sätze haben. Dann ließen sie die KI einen Text verfassen. Manche Fachleute finden, das Kapitel über Harry Potter zeige: KIMaschinen können schon recht gut nachahmen. Aber sie meinen auch, die KI habe nicht wirklich eigene Ideen. Andere glauben, dass die Maschinen bald besser werden und dann auch gute Geschichten erfinden.
Wusstest du …
Ein besonders großes Bild zu zeichnen, kann schon mal etwas länger dauern. Aber so lange wie ein junger Künstler im Land USA sitzt selten jemand am Schreibtisch. In einem Video sagt er: Er hat 24 Stunden lang gezeichnet, ohne ein einziges Mal den Stift abzusetzen! Das sind ein ganzer Tag und eine ganze Nacht. Natürlich musste der Künstler zwischendurch auch mal was essen und trinken. Das hat er dann mit der linken Hand gemacht, während er in der rechten Hand weiter den Stift gehalten hat. Aufs Klo wollte er in der ganzen Zeit aber nicht gehen. Er hat einen speziellen Plastikbehälter mit an seinem Schreibtisch gehabt und da reingepinkelt, wenn er mal musste. Am Ende hatte er ein sehr großes Stück Papier vollgezeichnet mit Häusern, Menschen, Bäumen und vielem mehr. Einen Zeitraffer der MalAktion hat er auf Youtube gestellt. Du kannst dir das Video zum Beispiel mit deinen Eltern hier anschauen: http://dpaq.de/ pztxA.