Verharmlost der MDR die Rechtspopulisten?
Fernsehen Eine Moderatorin sorgt am Wahlabend für Empörung. Es ist nicht das erste Mal, dass der Sender auffällt
Leipzig Ist der nach rechts abgedriftet? Binnen weniger Wochen sorgte der öffentlich-rechtliche Sender aus Leipzig wiederholt für Diskussionen weit über die Medienbranche hinaus. Kritik kam dabei selbst von Zuletzt am Sonntag, an dem in Sachsen und Brandenburg gewählt wurde. Die Berichterstattung hatte – sozusagen als Gesicht des Mitteldeutschen
im Ersten – am Abend Wiebke Binder übernommen. Binder, 1980 in Cuxhaven geboren, gehört seit 2014 zu den Moderatoren der Nachrichtensendung „MDR aktuell“, zuvor wurde sie als Moderatorin des Jugend-Radiosenders „MDR Sputnik“bekannt.
Vor allem mit zwei Äußerungen brachte sie es am Sonntag in der Live-Sendung „Landtagswahl in Sachsen und Brandenburg“fertig, dem zu schaden – indem sie an dessen Unabhängigkeit und Überparteilichkeit massive Zweifel aufkommen ließ. Im Gespräch mit dem sächsischen CDU-Politiker Marco Wanderwitz analysierte sie: „Eine stabile Zweierkoalition, eine bürgerliche, wäre theoretisch ja mit der AfD möglich.“
Die AfD als bürgerliche Partei – so sieht Parteichef Alexander Gauland seine Alternative für Deutschland. Nicht nur Politiker anderer Parteien, Politologen oder der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), sehen das völlig anders. Sondern auch Journalisten wie Julian Reichelt oder Medienjournalist Stefan Niggemeier, die sich am Sonntag auf Twitter an der Formulierung „bürgerliche Koalition“störten. Binders Kollege Arnd Henze, bis 2019 im
für Außenpolitik zuständig, antwortete darauf: „Viele Mitarbeitende werden über diese Aussage der #MDR-Moderatorin genauso irritiert sein wie Sie! Aber beim #MDR verwischen nicht zum ersten Mal die Grenzen nach ganz rechts!“
Binder war auch dem sächsischen AfD-Spitzenkandidaten Jörg Urban fast unterwürfig entgegengetreten. Der hatte das Klagelied der AfD angestimmt, seine Partei sei Opfer einer Medienkampagne. Binder versicherte ihm, „wir haben sehr viel über die AfD berichtet, da war schon viel zu erzählen...“„Positives“, wendete Urban ein, Binder nahm das auf: „Positives, auf jeden Fall!“Die AfD, deren völkisch-nationalistischer Flügel um Höcke und Kalbitz, Spitzenkandidat in Brandenburg, vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wurde; die sich laut einer Umfrage nicht mal nach Ansicht ihrer Wähler ausreichend von rechtsextremen Positionen distanziert – sie soll „bürgerlich“sein und „auf jeden Fall“Gegenstand positiver Berichte? Am Sonntagabend twitterte die
„Unter dem enormen Stress einer Live-Sendung bei einer solchen Doppelwahl mit ständig neuen Ergebnissen und wechselnden Konstellationen kann es zu Missverständnissen kommen und können Unschärfen passieren.“
Gravierender als Binders Moderation war das, was sich der vor der Wahl geleistet hatte – und worauf Henze offensichtlich anspielte. Der Sender hatte mit Arthur Österle einen Rechtsextremen zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen. Er sollte am 22. August mit anderen Protagonisten der Doku „Chemnitz – Ein Jahr danach“bei einer Vorabpremiere auftreten. In Chemnitz war im August 2018 Daniel H. erstochen worden; verurteilt wurde dafür kürzlich ein Syrer. Nach der Tat war es in der Stadt zu Ausschreitungen und „Hetzjagden“auf Ausländer gekommen. Österle, heute AfD-Mitglied, hatte als Chefordner für die rechtsextreme „Bürgerbewegung“„Pro Chemnitz“Demonstrationen organisiert.
Torsten Peuker nannte Binders Formulierung von der „bürgerlichen Koalition“am Montag einen „Versprecher“und entschuldigte sich dafür im Namen seines Senders. Binder bleibe aber „eine wichtige Moderatorin unserer politischen Formate“.