Maradona, zwischen Genie und Wahnsinn
Premiere Das Leben des legendären Fußballers kommt heute in die Kinos. Der Film zeigt die zwei Seiten seines Absturzes
Augsburg „Ein bisschen Betrug und sehr viel Genie“attestierte ein Sportjournalist dem legendären Fußballstar Diego Maradona nach dem WM-Finale 1986. Mit einem vom Schiedsrichter unerkannten Handspiel brachte er damals die argentinische Nationalmannschaft in Führung. Den zweiten Treffer erzielte er im Alleingang, umdribbelte fünf Gegner aus und lupfte den Ball lässig ins Tor. Mit seiner Filmdokumentation „Diego Maradona“schaut der britische Regisseur Asif Kapadia hinter den Mythos des Fußballgottes, der es aus dem Slums von Buenos Aires ganz nach oben schaffte.
Der Film, der am heutigen Donnerstag in den Kinos anläuft, setzt mit Maradonas Karrierebruch 1984 ein. Der FC Barcelona hatte ihn mit einer Rekordablöse eingekauft. Aber nach einigen Verletzungen, Streitigkeiten mit dem Vereinspräsidenten und der Beteiligung an einer Schlägerei im Stadion wurde der Argentinier auf die Transfer-Liste gesetzt. Keiner der renommierten Vereine wollte den teuren Querulanten haben und so ging der Zuschlag an den SSC Neapel, der in der italienischen Liga im unteren Mittelfeld rangierte.
Ruhe und Respekt erhoffe er sich mit dem Wechsel, gibt Maradona damals einem TV-Journalisten zu Protokoll. Als er aus den Katakomben zum ersten Mal ins Stadion San Paolo hinaufsteigt, empfangen ihn 75000 Fans mit frenetischem Applaus. Er ist der größte Hoffnungsträger einer Stadt, die von den Norditalienern als „Kloake Italiens“bezeichnet wird.
Nach nur zwei Jahren wird der SSC dank Maradona Meister. Neapel feiert zwei Monate lang. Das Bild des Fußballgottes hängt in nahezu jeder Wohnung gleich neben dem Kruzifix. Der argentinische Fußballer gibt Neapel ein neues Selbstwertgefühl. Dass Maradona nebenbei mit der argentinischen Nationalmannschaft den WM-Titel holt, ist für die Fans kein Problem – bis er 1990 bei der WM im heimischen Stadion San Paolo mit Argentinien gegen das italienische Team antritt. Die Südamerikaner gewinnen im Elfmeterschießen.
Ähnlich wie in seiner preisgekrönten Amy-Whinehouse-Dokumentation erforscht Kapadia auch hier die zerstörerische Eigendynamik des Ruhms und die erdrückende Liebe der Fans zu ihrem Star. Dem kometenhaften Aufstieg folgen auch hier der Abstieg in KokainSucht, Sex-Skandale und Beziehungen zur neapolitanischen Camorra, die sich nur zu gerne mit dem erfolgreichen Fußballer schmückt.
Maradona wird in Neapel als Erlöser gefeiert und verlässt Italien 1991 nach seiner Sperrung durch den italienischen Fußballverband wegen Kokainkonsums als Persona non grata.
Aber anders als in „Amy“zeigt Kapadia seinen Protagonisten nicht nur als tragische Opferfigur, sondern lotet das Wechselspiel zwischen Selbstverschulden und öffentlichem Druck sorgfältig aus. Dabei verzichtet Kapadia auf Eigenkommentare und retrospektive Interviews, sondern lässt das zeitgenössische Filmmaterial sprechen und zeigt den begnadeten Fußballer immer wieder mit atemberaubenden Torsequenzen in Aktion.